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Brandenburg: „Hartz-IV“-Gegner gehen neue Wege

Abschied von Montags-Demos / Schwarzbuch: Gesetz ist „Programm der Verarmung und Entrechtung“

Berlin - Die „Hartz-IV“-Gegner wollen bei ihren Protesten gegen das umstrittene Reformprojekt neue Wege gehen. An Stelle der wöchentlichen Montagsdemonstrationen, die in den vergangenen Monaten immer weniger Resonanz fanden, werden vielfältige Aktionsformen angestrebt, wie Vertreter des bundesweiten Bündnisses „Agenturschluss“ gestern in Berlin sagten. Das Netzwerk, das vor einem Jahr die Proteste bei der Einführung von „Hartz IV“ in vielen Städten Deutschlands initiiert hatte, zog jetzt in einem „Schwarzbuch“ Zwischenbilanz. Danach ist das Gesetz ein „Programm der Verarmung und Entrechtung“ der Betroffenen.

„Wir werden die Republik auch 2006 erheblich aufmischen“, kündigte der Berliner Wissenschaftler Peter Grottian vom Sozialforum der Hauptstadt an. Den Aktivisten schweben zum Beispiel Aktionen gegen die „Sozialschnüffelei“ der Arbeitsämter in den Wohnungen von Arbeitslosengeld-II-Beziehern oder gegen Zwangsumzüge vor. Für April wird eine erneute Großdemonstration gegen „Hartz IV“ in Deutschland vorbereitet, bei der die Initiatoren auch auf Greenpeace oder Seniorenorganisationen als Partner setzen. Die sozialen Protestbewegungen müssten sich „anstrengen, den Druck von außen zu erhöhen“, räumte Grottian ein. Er äußerte sich jedoch optimistisch, weil die „programmierte Erfolglosigkeit“ der großen Koalition auf Bundesebene bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die Auseinandersetzungen zwischen den Parteien verschärfen werde. Das Rezept, wonach Wachstum Arbeitsplätze schaffe, gehe nicht auf. Dennoch werde es von der großen Koalition im Bund als „politisches Disziplinierungsprojekt fortgeführt“.

Nach Darstellung von Anne Alex vom Runden Tisch der Erwerbslosen- und Sozialhilfeorganisationen Berlin setzt „Hartz IV“ vor allem auf „Leistungsvermeidung“. Häufig würden Mehrbedarfszuschläge, darunter für allein Erziehende mit Kindern, verwehrt oder die Kosten für den Unterhalt der Wohnung nicht gezahlt. Durch den Wegfall der einmaligen Beihilfen zum Beispiel für Bekleidung müsse eine Einzelperson auf bis zu 600 Euro pro Jahr verzichten. Familien mit mehreren Kindern seien noch stärker betroffen. Auch die erhöhten Gesundheitskosten seien nicht mehr gedeckt.

Guido Arnold vom Wuppertaler Sozialforum kritisierte insbesondere die „verunglimpfende Stimmungsmache“ der Politik gegen Langzeitarbeitslose, die als „Parasiten“ und „Sozialschmarotzer“ diffamiert würden. Mit dem Vorwurf des Leistungsmissbrauchs greife der Staat „rechtswidrig“ in deren Privatsphäre ein, wenn Prüfdienste der Arbeitsämter bei Hausbesuchen die Schlafzimmer inspizierten. Angesichts der Zumutung des Gesetzen „begrüßen wir es außerordentlich, wenn immer mehr ALG-II-Empfänger trickreich „versuchten, ihre staatlichen Leistungen ,aufzupolieren’“ betonte Arnold. Auch Grottian bestritt nicht, dass es Missbrauch gebe. Eine Quote von vier oder fünf Prozent sei aber „nicht dramatisch“. Sie müsse ins Verhältnis zu dem gesetzt werden, was der Staat mit seinen Repressalien anrichte, betonte der Politologe. Er forderte die Rücknahme des „Hartz-IV“-Gesetzes und eine Umverteilung der Mittel zur Schaffung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze.

Auf Ablehnung stießen beim Bündnis sowohl die Ein-Euro-Jobs als auch die auf Bundesebene diskutierten Kombilöhne, weil damit keine regulären Arbeitsverhältnisse entstünden. Zur Schaffung von Arbeitsplätzen sollte aus Sicht der Erwerbsloseninitiativen die Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich auf 30 Stunden reduziert werden. Zugleich verlangen sie eine monatliche Grundsicherung von 850 Euro, zuzüglich Unterkunftskosten und Krankenversicherung.

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