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Brandenburg: Vernachlässigt

Michael Mara

Schon zu Beginn des Jahres zeichnet sich ab: 2006 wird es in Brandenburg spannende Entscheidungen geben. Die Uckermark hat das Land beim Verfassungsgericht wegen chronischer Unterfinanzierung übertragener öffentlicher Aufgaben verklagt. Darin sieht der Kreis einen Verstoß gegen die Verfassung, die einen entsprechenden finanziellen Ausgleich durch die Landesregierung verlangt.

Gewiss, die Uckermark ist ein Extremfall. Die jungen Menschen verlassen den flächenmäßig größten, zugleich struktur- und einkommensschwächsten Kreis Brandenburgs und auch der Bundesrepublik in Massen. Mit der Einwohnerzahl sinken Zuweisungen und Einnahmen. Trotzdem muss die technische und soziale Infrastruktur – Straßen, öffentlicher Nahverkehr, Schulen, Kitas, Krankenhäuser usw. – vorgehalten werden. In einem so großen und dünn besiedeltem Gebiet eine kostspielige Angelegenheit. Zugleich schnellen die Sozialausgaben in die Höhe, weil die Hilfsbedürftigen, die Alten und Arbeitslosen, zurück bleiben.

Doch im Kern stehen alle Randregionen Brandenburgs vor ähnlichen schier unlösbaren Problemen. Die Arbeitslosigkeit ist hier besonders groß. Die Einnahmen aus Einkommens- und Gewerbesteuer sind besonders gering. Die Schere zwischen den Zuweisungen des Landes auf der einen und den Soziallasten auf der anderen Seite wird immer größer. Man merkt das auch daran, dass immer mehr Kassenkredite aufgenommen werden müssen, um Finanzlöcher zu schließen. Eine Schraube ohne Ende.

Umso schmerzlicher für die betroffenen Menschen, dass die Landesregierung keine Konzepte für die ausblutenden Randregionen hat. Im Februar schockte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) mit der Ankündigung, dass den berlinfernen Regionen in Zukunft nur noch Bildung versprochen werden könne. Weil es einen Aufschrei gab, hat er zugesichert, dass es an der Daseinsvorsorge keine Abstriche geben werde. In der Uckermark, deren Finanzloch auf 40 Millionen Euro angewachsen ist, droht aber genau das – obwohl man viel getan hat, um Ausgaben zu senken und Einnahmen zu erhöhen.

Nun wird das oberste Gericht des Landes am Beispiel der strukturell benachteiligten Uckermark zu prüfen haben, ob die Regierung ihren Verfassungspflichten hinreichend nachkommt. Oder ob sie die notleidenden Gebiete, die von öffentlichen Aufgaben und wachsenden Soziallasten erdrückt zu werden drohen, künftig finanziell besser versorgen muss.

In der Vergangenheit hat das Verfassungsgericht bereits verschiedentlich im Sinne von Kommunen entschieden, die wegen Finanzstreitigkeiten Beschwerden einlegt haben. Und auch jetzt spricht manches dafür, dass die obersten Richter die Landesregierung sehr nachdrücklich an ihre Pflichten erinnern werden. Diese Klarheit ist auch notwendig, denn die Menschen in den Randregionen wollen wissen, ob sie noch eine Perspektive haben.

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