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Landeshauptstadt: „An erster Stelle steht das Gespräch“

Monique Tinney ist neue Ausländerseelsorgerin des evangelischen Kirchenkreises und betreut Asylsuchende im Abschiebegewahrsam

Monique Tinney ist neue Ausländerseelsorgerin des evangelischen Kirchenkreises und betreut Asylsuchende im Abschiebegewahrsam Rund 450 Flüchtlinge und Asylsuchende leben derzeit in Potsdam. Seit Anfang der 90er Jahre hat der evangelische Kirchenkreis Potsdam sich den Schutz- und Hilfesuchenden mit dem Angebot von Seelsorge angenommen, zunächst ehrenamtlich. Vor knapp achteinhalb Jahren wurde eine halbe Stelle und seit dem 1.Januar dieses Jahres eine 60-prozentige Pfarrstelle eingerichtet. Mit dem Jahreswechsel übernahm Monique Tinney die Aufgaben als Ausländerseelsorgerin vor Ort. Zudem begann sie als erste Seelsorgerin der Landeskirche Berlin, Brandenburg und schlesische Oberlausitz ihren Dienst im Abschiebegewahrsam Eisenhüttenstadt. Über Perspektiven ihrer Arbeit sprach Ulrike Strube mit der Gemeindepädagogin. Die Begegnung mit ausländischen Menschen ist Ihnen seit vielen Jahren vertraut, etwa durch ihr ehrenamtliches Engagement im Bereich der Mädchenarbeit, wo sie mit ihrem Projekt „Fremde Freundin“ Begegnungen zwischen ausländischen und deutschen Mädchen schaffen. Das Gespräch und das gemeinsame Erleben bilden auch den Schwerpunkt ihrer Arbeit. Ja, daher möchte ich die Ausländerarbeit in einer Kirchengemeinde ansiedeln. Derzeit bin ich noch am suchen. Ich stelle mir vor, dass langfristig ein Kontakt zwischen den ausländischen Menschen und den Gemeindegliedern wachsen könnte. In der Gemeinde würde ich gern mein Büro beziehen. In das dortige kirchliche Leben möchte ich mich beispielsweise mit Predigdiensten einbringen. Durch meine Tätigkeit in der Gemeinde am Stern habe ich erfahren, dass viele Menschen neugierig auf die hier Hilfesuchenden, das Fremde sind. Leider gibt es viele Vorurteile. Vielleicht könnte ganz praktisch beim gemeinsamen Kochen von bosnischen, afghanischen, afrikanischen und deutschen Speisen eine kulinarische Brücke gebaut werden. Im Mittelpunkt Ihrer Arbeit steht die Seelsorge. Das Gespräch ist wichtig. Den Menschen zuhören. An zwei Tagen in der Woche werde ich im Übergangsheim im Lerchensteig sein. Jeweils einen Tag habe ich für die Menschen, die in Wohnungen leben und die Menschen, die im Abschiebegewahrsam in Eisenhüttenstadt ausharren, eingeplant. Natürlich werde ich mich auch in Netzwerken für die Rechte und Bedürfnisse der Asylsuchenden und Flüchtlinge einsetzen. Doch an erster Stelle steht das Gespräch. In Potsdam sind über die Jahre feste Strukturen gewachsen, beispielsweise der Ausländergesprächskreis. Anders im Eisenhüttenstadt. Hinter Stacheldraht warten Menschen auf ihre Abschiebung. Die Einrichtung wird von einem privaten Sicherheitsdienst kontrolliert, da sie im Gegensatz zum Gefängnis nicht der Justiz unterstellt ist. In der Hausordnung wird ein Geistlicher als Begleiter für die jeweilige Religion zugesichert. Auf Anfrage erhalten die Insassen den gewünschten Beistand. Einmal in der Woche kommt der Jesuiten Flüchtlingsdienst und einmal im Monat ein Imam aus Berlin. Gemeinsam mit der Ausländerbehörde und der Anstaltsleitung müssen wir ins Gespräch kommen, uns über den Alltag und die besondere Situation austauschen. Die Lebensbedingungen müssen sich dort verbessern. Vorurteile, die Ursache für Aggression und Gewalt sind, müssen abgebaut werden. Wie wollen Sie den Alltag der Menschen dort konkret bereichern? Schön wäre es, wenn die Frauen und Männer Zeitungen in ihrer jeweiligen Muttersprache lesen könnten. Dafür werde ich versuchen Spender zu finden. Eine andere Idee würde ich gern aus dem Strafvollzug übernehmen und ins Rollen bringen, wo Weihnachten Päckchen für die Inhaftierten gepackt werden, um ihnen eine kleine Freude zu bereiten. Was wünschen Sie sich für Ihre Arbeit? Mögen trotz begrenzter finanzieller Spielräume die Arbeit für die Ausländerseelsorge ermöglicht bleiben sowie an Akzeptanz gewinnen. Denn Kirche sollte dort sein, wo sie gebraucht wird, beispielsweise bei Menschen in großer Ungewissheit. Für die Tätigkeit in Eisenhüttenstadt wünsche ich mir, dass die Menschen im Abschiebegewahrsam auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden und dass die Arbeit, die ehren- und hauptamtlich arbeitende Schwestern und Brüder seit Jahren dort leisten, mehr Akzeptanz sowohl in der Kirche und in der Anstalt bekommen. Das die Arbeit keine Gefahr, sondern eine Bereicherung darstellt. Monique Tinney studierte in Potsdam und Berlin Gemeindepädagogik. Später war sie in der Auferstehungsgemeinde, für den Ökumenischen Kirchentag Berlin und in der Kirchengemeinde Am Stern tätig.

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