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Landeshauptstadt: Ausgekippt?

Laut Gastronomieverband sind nur zehn Potsdamer Gaststätten rauchfrei – eine Umfrage

Noch immer dicke Luft in Potsdams Kneipen: In den Gaststätten der Landeshauptstadt darf weiterhin fast uneingeschränkt geraucht werden. Zwar schätzt der geschäftsführer des Landesverbands des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Uwe Strunk, dass die Hälfte aller Gastronomen Nichtraucherzonen anbiete. Doch nur 21 von mehr als 200 Potsdamer Bars, Cafés und Restaurants tauchen tatsächlich im Dehoga-Nichtraucherführer auf.

Und das, obwohl sich der Dehoga bereits im März 2005 mit dem Bund auf eine Selbstverpflichtung geeinigt hatte: In mindestens einem Drittel aller Speisegaststätten sollten sich 30 Prozent der Plätze in Nichtraucherbereichen befinden. Ab März 2007 sollen es sogar zwei Drittel aller Gaststätten sein, die mindestens 40 Prozent Nichtraucherplätze vorweisen. Laut Strunk berücksichtigen die Unternehmen diese Zielvereinbarung. Allerdings würde sich nicht jedes Unternehmen in die Dehoga-Liste, im Internet unter www.nichtraucherfuehrer.de, eintragen. Mehr Schutzmaßnahmen vor dem gesundheitsgefährdenden Passivrauchen will der Dehoga seinen Gastronomen vorerst nicht empfehlen. Seit das viel diskutierte bundesweite Gaststätten-Rauchverbot vom Tisch ist, wolle man nun warten bis das Land Rechtssicherheit gibt. Doch die brandenburgische Regierung hat noch keinen Gesetzesentwurf dafür vorgewiesen. Dehoga-Geschäftsführer Strunk spricht sich wie die meisten Potsdamer Gastronomen jedoch gegen eine zu strenge Regelung aus – aus Angst vor Umsatzeinbußen.

Die befürchtet auch Eva Schwarz Angst, die seit 47 Jahren die Gaststätte „Zum Langen Kerl“ in der Brandenburger Straße betreibt. Ein Rauchverbot „wäre wirklich unser Tod“, sagt sie mit Zigarette in der Hand. Im Coffeeshop „Banzai“ in der Friedrich-Ebert-Straße blieben auch tatsächlich die Gäste weg, als das Bistro vor Kurzem zwischen 11 und 15 Uhr ein Rauchverbot verhängte – vor allem die Schüler, so Mitarbeiterin Kathrin Möller. Dann aber sei es durch Gespräche gelungen, diese zu überzeugen, vor der Tür zu rauchen. Jetzt laufe es wieder besser. Die 26-jährige Möller ist selbst Nichtraucherin. Ein Gesetz zum eigenen Schutz halte sie aber nicht für nötig: „Als Nichtraucher muss man Raucher akzeptieren.“

Dieser Meinung ist auch Kathrin Kleist, Restaurantleiterin im „Zum Fliegenden Holländer“ in Benkertstraße, obwohl auch sie Nichtraucherin ist. Sie glaubt, dass ein Rauchverbot sogar die Jobs in der Gastronomie gefährden könnten. Zudem sei das Risiko des Passivrauchens bekannt – wer in der Gastronomie arbeite, nehme dies in Kauf. Dies gelte auch für Gäste, die eine Gaststätte betreten: „Das muss jeder für sich alleine entscheiden können.“ Mit einem Gesetz würde man sich wieder auf eine Diktatur zu bewegen, findet Gastronomin Schwarz.

Der Markt müsse bestimmen, nicht die Regierung, meint auch Dehoga-Chef Strunk: „Einen Bewusstseinswandel in der Bevölkerung kriegen die Unternehmen ja zu spüren“, darauf würden sie dann auch reagieren, so Strunk.

Doch das Bewusstsein der Potsdamer scheint in diesem Punkt ganz unterschiedlich ausgeprägt zu sein – manche Kellner sind anderer Meinung als Strunk. Etwa im Restaurant „Pfeffer und Salz“ in der Brandenburger Straße. Mitarbeiter dort sprechen sich für ein „konsequentes Gesetz“ aus. „Acht Stunden hier zu arbeiten, das ist wie ununterbrochen zu rauchen“, meint einer. Ein Gesetz könne durchaus geschäftsschädigend sein, aber „die Gesundheit der Mitarbeiter“ müsse wichtiger sein. Das denken auch die Potsdamer Gaststättenbesucher Helmut und Sigrid Wolf. Als Nichtraucher sei ihm „natürlich wohler ohne Rauch“, so Helmut Wolf. Ein Gesetz halte aber für „nicht realisierbar“. Seine Frau stören „Raucher am Nebentisch schon“, aber eine „gute Belüftung“ oder Nichtraucherbereiche würden ihr genügen. Das hält auch Gaststättenchefin Kleist für zumutbar – seine Gäste zwingen, draußen zu rauchen, sei es nicht. Dies möge in anderen Ländern vielleicht funktionieren, jedoch nicht hierzulande: „Wer trinkt denn bei minus 14 Grad draußen sein Bier?“

Wer in der „Enoteca“ ganz in der Nähe rauchen will, muss das bereits. Wie in rund weiteren zehn Gaststätten und Cafés der Landeshauptstadt herrscht in der Cantina Rauchverbot. Auch in Italien hätten alle zuerst gedacht, ein Verbot könne geschäftsschädigend wirken, so Mitarbeiterin Roberta Mengarelli. Doch mittlerweile hätte man festgestellt: „Man geht zum Rauchen nach draußen und lernt dabei neue Leute kennen.“ Ihrer Meinung nach sollten Raucher auf Nichtraucher Rücksicht nehmen, sagt Mengarelli . Und ein positiven Effekt habe das Verbot auch für Raucher: „Man raucht weniger.“

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