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Landeshauptstadt: Der Turmbauer

Der Potsdamer Szenenbildner Lars Lange arbeitete mit beim Pro Sieben-Katastrophenfilm „Tornado“

Sommer in Berlin. Auf die Aussichtsplattform im Fernsehturm drängen sich Besucher. Die dicke Kugel reflektiert Sonnenlicht. Doch dann verdunkelt sich der Himmel. Hagelkörner prasseln gegen die Scheiben, dichter Regen verschleiert die Sicht. Die Scheiben explodieren, stürmischer Wind und der Sog reißen Menschen in die Tiefe. Der Alexanderplatz liegt brach. Ein Tornado hat eine Spur der Verwüstung in Berlin hinterlassen.

Der Potsdamer Lars Lange hat die Aussichtsplattform des Fernsehturmes gebaut – nachgebaut für den Pro Sieben-Katastrophenfilm „Tornado“, der voraussichtlich im Herbst diesen Jahres im Fernsehen zu sehen sein wird. Über ein halbes Jahr hat der Szenenbildner mit seinem Team an der Nachbildung, die ein Stück der Fernsehturmkugel umfasst, in den Babelsberger Filmstudios gearbeitet. In einer 300 Quadratmeter großen Bluebox, im Zentrum die Kugel-Nachbildung, wurde diese Szene abgedreht.

„Jetzt bin ich ausgelaugt“, sagt Lars Lange als er in einem Kaffee in der Potsdam Innenstadt mit einem Latte Macchiato und einer Zigarette sitzt. Im vergangenen halben Jahr hat der 36-Jährige kein anderes Buch als das Drehbuch von „Tornado“ im Kopf gehabt. Gemeinsam mit Architekten, Requisiteuren und Bauzeichnern hat er die Filmidee in Szenenbildern umgesetzt: Von der Ausgestaltung der Wetterstation für „Tornado“ bis hin zur Nachbildung eines Teils der Kugel des Fernsehturms. Wie ein Bühnenbildner am Theater. Die größte Herausforderung dabei: Viel Detailarbeit an der Architektur, um durch die Szenenbilder eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen. Dazu waren auch immer wieder Gespräche mit dem Regisseur Andreas Linke nötig.

Für „Tornado“ hat Lars Lange realitätsnahe Szenenbilder entworfen: Das Potsdamer Geoforschungszentrum (GFZ) am Telegrafenberg diente als Wetterstation. Er hat dem GFZ zusätzlich drei große Satelliten verpasst. „Durch die verschärfte Darstellung soll mehr Dramatik in den Film kommen“, erklärt er. So soll Spannung aufgebaut werden. Immerhin gehe es ja trotz aller Ernsthaftigkeit eines Katastrophenfilms auch um die Unterhaltung der Zuschauer.

Ob Actionfilm, Drama oder Komödie – Lars Lange hat schon in vielen Genres gearbeitet. An über 40 Filmen war er beteiligt. Für den gebürtigen Kleinmachnower ist „Der Herr der Ringe“ das Paradies für Szenenbildner. Wegen der gestalterischen Freiheiten, versteht sich. Schließlich sei er auch Künstler. Das klingt nicht nach Arroganz. „Ich bleibe auf dem Teppich“, sagt er und streicht sich eine lange braune Haarsträhne hinter das Ohr, zwei silberne Ohrringe werden sichtbar. Aus einer wilden Zeit stammen diese beiden Ringe.

Zwei Jahre nach der Wende hat Lars Lange für sieben Jahre in einer Künstler- und Filmemacherkommune in der Einsteinstraße gewohnt. Am Anfang als Hausbesetzer. Mit Kohleofen, Möbel vom Sperrmüll, Heizboiler, zerstörten Fensterscheiben und Punkrock. In einer Ruine, erzählt Lars Lange. Die Truppe wollte damals das Haus zur Filmwerkstatt umbauen- mit Kino und Schneideraum. Doch bald kamen die Rückübertragungsansprüche. Die Idee war geplatzt.

Einige Filmemacher aus der „Künstler-WG“ kannte er von der DEFA. In der ehemaligen Filmschmiede der DDR mit Sitz in Babelsberg hatte der damals 20-Jährige, nach seiner Tischlerlehre, 1989 als Requisitenassistent angefangen – so kam er ins Filmgeschäft.

Da erst zog er von Kleinmachnow nach Potsdam. „Kleinmachnow – da wo Agnes Kraus wohnte, bin ich geboren“, sagt Lars Lange. Ihm ist die Schauspielerin durch ihre Rollen in zahlreichen DDR-Filmen der 70er und 80er Jahre als „gutmütige, schrullige Mutter“ in Erinnerung geblieben.

Das erste Jahr als Requisiteur bei der DEFA war noch nicht vergangen, da kam die Wende. „Alle hatten Angst was nun wird“, erinnert er sich. Für ihn war das eine Zeit der Stagnation in der DEFA. Doch für den Mitdreißiger bot die Offenheit der Geschichte vor allem eines: Chancen für neue Wege. So ist er von der DEFA weggegangen und hat sich als Requisiteur und später als Szenenbildner auf dem freien Markt versucht. Als Autodidakt. Der Szenenbildner hat nicht den Königsweg zu seinem Traumberuf beschritten: Das Studium der Szenografie. „Zu DDR-Zeiten war es schwer, einen Studienplatz zu bekommen“, sagt er.

Im vergangenen Jahr war Lars Lange in Südafrika unterwegs. Als Szenenbildner arbeitete er mit bei der Verfilmung der Autobiografie von Kerstin Camerons „Kein Himmel über Afrika“. Das Melodram mit Veronica Ferres und Götz George lief im Februar vergangenen Jahres im Fernsehen.

Nun wartet Lars Lange auf ein neues Filmprojekt. In seiner Branche sei es aber auch nicht unüblich „mal ein halbes Jahr nix zu haben“. Da schwingt eine gewisse Gelassenheit mit, die er aus der über zehnjährigen Erfahrung als Freiberufler zu haben scheint.

Angela Gencarelli

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