zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Die 13 für besonderes Glück

Eine Silvesternacht überschattet von der Katastrophe – es wurde der Opfer gedacht, gespendet und gefeiert

Eine Silvesternacht überschattet von der Katastrophe – es wurde der Opfer gedacht, gespendet und gefeiert Oben, im Turm der Friedenskirche, läuten die Glocken in der milden Dunkelheit die letzte Stunde des Jahres ein. Unten, in der Stille des Kirchenschiffes, haben mehr als einhundert Menschen auf den Holzstühlen Platz genommen. Kein Wort ist zu hören, bis die letzten Töne des Orgelspiels von Matthias Jacob verklungen sind. Innehalten und gedenken wolle man angesichts der „unerträglichen Katastrophe“ in Südasien, sagt Stadtkirchenpfarrer Markus Schütte. Sich der traurigen, aber auch der schönen Dinge des zurückliegenden Jahres erinnern. Es ist das erste Mal, dass die Friedenskirche zu „Musik und Meditation“ in der Silvesternacht einlädt. Auch, weil es dieses Mal besonders nötig scheint. Das Entsetzen und die Trauer um die weit mehr als einhunderttausend Menschen, die mit der Flutwelle den Tod fanden, lassen sich nicht einfach abschütteln. Die Welt, sagt Schütte, halte den Atem an. In einer Lichterliturgie werden die schrecklichen, aber auch die wunderbaren Momente in 2004 ins Gedächtnis gerufen. Dabei machen Markus Schütte und Klaus Büstrin, Mitglied des Gemeindekirchenrates, keinen Unterschied zwischen der Welt und der Nachbarschaft. Sie erinnern an den Terroranschlag in Madrid, das Geiseldrama von Beslan, aber auch an die 34-jährige Potsdamerin, die an Krebs starb, drei Kinder und ihren Mann mutterseelenallein zurück ließ. Sie sind erleichtert mit den Menschen, die einen schweren Autounfall wie durch ein Wunder unbeschadet überstanden haben, aber auch mit Afghanistan, das seine ersten freien Wahlen erlebt hat. Und mit dem vierjährigen Jungen, der in Südasien nach zwei Tagen und Nächten aus der Krone eines Mangrovenbaumes gerettet werden konnte. Dass diese Potsdamer Silvesternacht überschattet wird von der Flutkatastrophe, ist auch dort zu merken, wo die Menschen feiern. Überall werden Spenden gesammelt. 3700 Euro sind es zum Schluss im Dorint Novotel, der Erlös der Tombola beim „Stars und Sternchen“-Silvesterball. „Die Gäste haben uns geradezu überrannt, haben uns die Lose fast aus den Händen gerissen“, sagt Direktor Carsten Colmorgen. Im mit 460 Gästen ausverkauften Saal wird getanzt, die Seiltänzerin Silea zeigt ihre Künste, das „Art Feu Dance Theatre“ ist mit seinem Feuertanz die letzte Nummer, bevor das neue Jahr beginnt. Den Jahreswechsel erleben die 450 Gäste im Seminaris SeeHotel, davon 150 aus Potsdam, ganz im Zeichen Chinas. Die Herren bekommen gelbe Hütchen aus Pappe mit Neujahrswünschen in chinesischer Schrift überreicht – so tragen sie „Vernunft“, „Zufriedenheit“ oder „Aufrichtigkeit“ auf den Köpfen. Für die Unterhaltung sorgt hier das Hotelpersonal samt Direktor Hartmut Pirl. Er wird auf einer Rikscha ins Foyer gezogen und spricht in Gestalt des letzten chinesischen Kaisers Puyi die Eröffnungsworte. Anderthalb Stunden vor Mitternacht wartet noch eine Geschicklichkeitsübung auf ihn: Im aufblasbaren Sumo-Anzug sollen Walzer, Blues und Rock“n“Roll auf einer zusammengefalteten Zeitung getanzt werden. Die Gäste kaufen während des Abends mehr als eintausend Tombola-Lose – 2634 Euro wird das Hotel an das Kinderhilfswerk Unicef überweisen. Hoffnung machen auf ein gutes Jahr 2005 will das Inselhotel auf Hermannswerder. „Licht am Ende des Tunnels“ heißt die Silvesterfeier, die im neuen Tagungs- und Bankettcenter „Bellevue“ stattfindet. 180 Gäste aus ganz Deutschland haben sich hier eingefunden, sie tanzen im Schein eines auf der Leinwand flackernden Kaminfeuers oder lauschen dem Gesang des Quintetts vom Hans Otto Theater, dem Staatsorchester Frankfurt (Oder) und dem Kieler Stadttheater. Inselhotel-Chef Burkhard Scholz hatte am Anfang des Abends zum Spenden per Handy-Anruf aufgerufen, „fast alle haben so zehn Euro gegeben“, sagt er. Auf der Terrasse der „Villa Kellermann“ am Heiligen See werden zu Mitternacht keine Raketen in den Himmel geschickt. Stattdessen lodert dort ein großes Feuer. Als „Erinnerung an die Urgewalten“ Feuer und Wasser möchte Restaurant-Chef Maximilian Dreier dies verstanden wissen. Die 300 Euro, die er für das Feuerwerk bezahlt hätte, wird er für die Flutopfer spenden. Eine Geste, die bei seinen rund 130 Gästen Anklang findet. Angesichts der Katastrophe, der vielen Kinder, die ihre Eltern verloren haben, sei es „fast sündlich, zu feiern“, sagt Sandra Lipton, die am früheren Abend gemeinsam mit ihrem Mann, dem Dirigenten Professor Daniel Lipton, ihrer siebenjährigen Tochter Laura und dem fünfjährigen Lucca einen Abstecher in die Villa gemacht hat. Festes Zutrauen zum Glück muss haben, wer die Silvesternacht im „Joker“s Garden“ verbringt. 150 Gäste begrüßt die Potsdamer Spielbank zum Sonderprogramm mit Tombola und futuristischem Büfett am letzten Abend des Jahres – und sechs von ihnen beginnen auch 2005 als glückliche Gewinner: Die erste Kugel, die kurz nach Mitternacht am Roulettetisch geworfen wird, fällt auf die 13. Ein schlechtes Omen? Nein, ganz und gar nicht, sagt der Sprecher der Spielbank, Michael Masch. „Die 13 bedeutet besonderes Glück für das neue Jahr.“ Wie schön wäre es, ihm zu glauben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false