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Homepage: Keine Minute bereut

Literaturwissenschaftler Albrecht Buschmann von der Uni pausierte zweimal für seinen ersten Sohn

„Als ich 2000 für sechs Monate und 2001 für ein Jahr mein Büro mit dem heimischen Kinderzimmer tauschte, waren das sehr bewusste Entscheidungen“, sagt Albrecht Buschmann heute. „Ich wollte die vielen kleinen Dinge, die in den ersten Lebensmonaten meines Kindes passieren sollten, nicht verpassen.“ Das erste Sitzen, Stehen, Krabbeln oder Laufen – Buschmann hat diese Momente genossen.

Drei Jahre ist es inzwischen her, dass Albrecht Buschmann aus seinem letzten Vaterschaftsurlaub an seinen Schreibtisch in der Universität Potsdam zurückkehrte. Doch die beiden Auszeiten für seinen ersten Sohn möchte er nicht missen. Der wissenschaftliche Mitarbeiter im Institut für Romanistik ist ein vehementer Verfechter der von Vätern in Anspruch genommenen Elternzeit.

Bestärkt in seinem Entschluss für die beiden Auszeiten hat ihn damals sein ehemaliger Professor, der gerade das Aufwachsen seines Enkelkindes interessiert verfolgte und sehr bedauerte, sich für seine eigenen Kinder nicht genug Zeit genommen zu haben. Buschmann fühlte sich in seinem Willen bestätigt. Seine Frau, die als freie Übersetzerin spanischer Literatur arbeitet, konnte so relativ schnell wieder in den Berufsalltag einsteigen. Sie übersetzte nach sechs Monaten wieder, er betreute das Kind. „Ich habe diese Monate als Zeit der Auffrischung genutzt“, erinnert sich der Familienvater. Keine Seminarvorbereitung, kein pflichtgemäßes Studieren von Fachliteratur, jetzt konnte der Literaturwissenschaftler endlich die Romane lesen, auf die er sich schon lange gefreut hatte. „Genuss pur“, sagt er heute. Das sei nur übertroffen worden, wenn der Kleine nicht schlief und sein Recht forderte.

Angst, durch den jeweils mehrmonatigen Tausch von Berufstätigkeit und Kindererziehung den fachlichen Anschluss zu verpassen, hatte Buschmann nicht. „Wir Literaturwissenschaftler sind in vielerlei Hinsicht Einzelkämpfer, arbeiten auch in gemeinsamen Projekten letztlich viel alleine“, so seine Erklärung. Naturwissenschaftler stünden sicherlich unter anderen Zwängen, aber machbar sei die Auszeit nach seiner Ansicht auch für sie, vor allem wenn bessere Betreuungsmöglichkeiten an der Universität vorhanden wären. Dass überhaupt so wenige Väter den Vaterschaftsurlaub antreten, hat für ihn mehrere Gründe. Zum einen bedeutet der Schritt einen großen finanziellen Verlust. „Da wird zur Geburt lieber ein größeres Auto gekauft als für die Auszeit mit dem Kind gespart.“ Zum anderen gibt es nach Buschmanns Ansicht auch bei den Müttern immer noch ein traditionelles Rollenverständnis. Er selbst möchte darüber nicht richten, schon gar keine Vorwürfe machen. Es sei schließlich die Entscheidung jedes Einzelnen.

Als Buschmann sich zu den Erziehungsurlauben entschloss, war ihm klar, dass alles gut vorbereitet werden musste. Sein Professor, selbst ein Familienmensch, wurde frühzeitig informiert. Es folgten Absprachen, die Organisation der Vertretung, eine geordnete Übergabe der dienstlichen Angelegenheiten. Entscheidend sei aber, dass die Uni Vertretungen auch zügig bewillige und nicht versuche, Geld zu sparen. Buschmann musste nicht lange überzeugen, er stieß auf Verständnis, Unterstützung und auch viel Lob. Was ihn erstaunte. Seine Erkenntnis: „Frauen müssen Kinder und Beruf offenbar selbstverständlich unter einen Hut bringen, als Mann hingegen scheint es eine seltene Höchstleistung zu sein.“

Dass die Dinge in der freien Wirtschaft sicher anders liegen, räumt der Kenner spanischer und französischer Literatur ein. Dennoch glaubt der Wissenschaftler, dass auch hier ein Vaterschaftsurlaub möglich ist. „Man muss es nur wirklich wollen und auch bereit sein, vermeintliche Selbstverständlichkeiten zu ändern“, so seine Überzeugung. Gerade ist sein zweiter Sohn zur Welt gekommen, und die Planungen für ein weiteres Jahr als Vollzeitvater laufen schon. Das neue Auto muss weiterhin warten. PG

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