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Landeshauptstadt: „Nicht immer Übereinstimmung“

250 Menschen nahmen am Sonnabend in der Kirche am Neuendorfer Anger Abschied von Gisela Opitz /Schritte der Versöhnung

250 Menschen nahmen am Sonnabend in der Kirche am Neuendorfer Anger Abschied von Gisela Opitz /Schritte der Versöhnung Von Ulrike Strube Babelsberg - Keine Ansprache, nur zwei Lieder wünschte sich Gisela Opitz für ihre Trauerfeier. Lange habe sie über ihren eigenen Tod nachgedacht, erinnert sich Martin Kwaschik. Dennoch gedachte der Pfarrer in einer Meditation zum Vers 23 des 139 Psalmen: „Erforsche mich, Gott und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich“s meine“ schlicht und ohne Lobesreden der engagierten Christin. „Ihr Engagement forderte Urteilskraft. Nicht immer gab es Übereinstimmung. Wer will da richten?“, fragte Kwaschik. Er sprach über eine engagierte Frau, die aus tiefem Herzen und Überzeugung seit Jahrzehnten das Leben in Potsdam mitgestaltet hat und am 21. Januar im St. Josefs-Krankenhaus gestorben ist. An der Trauerfeier im achteckigen Gotteshaus am Neuendorfer Anger nahmen neben der Familie gut 250 Anwohner, Gemeindeglieder, Vertreter aller Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung und des Kirchenkreises Potsdam teil. Unter der Trauergemeinde waren ihre Wegbegleiterin vom Bürgerbündnis Ute Bankwitz, Birgit Müller als Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Kulturbeigeordnete Gabriele Fischer, Generalsuperintendent Hans-Ulrich Schultz sowie Bertram Althausen, Superintendent des Potsdamer Kirchenkreises. Der Backsteinbau am Neuendorfer Anger, an dessen Wiederaufbau Gisela Opitz maßgeblich beteiligt war, konnte am Sonnabend die große Gemeinde nicht fassen. Lautsprecher mussten die Trauerfeier nach draußen übertragen. Der Vokalkreis Potsdam unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Matthias Jacob und dem Flötisten Hannes Immelmann begleiteten die Minuten des Gedenkens unter anderem mit Stücken von Johann Sebastian Bach und dem Kyrie aus der Messe G-Dur von Josef von Rheinberger. Gisela Opitz wurde im April 1931 in Landsberg/Warte geboren und wuchs im dortigen Pfarrhaus auf. Mit Ende des Krieges erlebte sie als 14-Jährige Flucht und Vertreibung. Nach ihrem Abitur in Rathenow begann sie 1950 ihr Theologiestudium, das sie unter anderem nach Berlin und Halle führte. In dieser Zeit lernte sie ihren Mann kennen, den sie 1961 heiratete und mit ihm drei Söhne bekam. Anfang der 80er übernahm die Theologin in Potsdam die Geschäftsstelle der Evangelischen Frauenhilfe und arbeitete im Evangelisch-Kirchlichen Hilfsverein. In den Jahren der DDR engagierte sich Gisela Opitz in der Bürgerbewegung. Sie war Mitglied beim Neuen Forum/Argus und später beim Bürgerbündnis. Seit 1990 saß sie im Stadtparlament. Sie engagierte sich für den Erhalt der Philharmonie und für die Unterbringung obdachloser Menschen, sie war Mitbegründerin des Autonomen Frauenzentrums und baute in ihrer Babelsberger Gemeinde die Diakoniestation mit auf. Sie übernahm Predigtdienste, gab Bibelstunden und organisierte alljährlich den Weltgebetstag der Frauen. 1998 gründete sie den Förderverein Alte Neuendorfer Kirche und Neuendorfer Anger e.V. zum Wiederaufbau des dortigen Gotteshauses. Vor einem Jahr kam es zum offenen Konflikt zwischen Gisela Opitz und dem Gemeindekirchenrat Babelsberg, deren Vorsitzende sie viele Jahre lang war. So sprach sie sich dagegen aus, dass Gottesdienste nur zentral in der Friedrichskirche stattfinden und Einnahmen durch die Verpachtung kirchlicher Immobilien erwirtschaftet werden sollten. In den vergangenen Monaten habe es positive Gespräche zwischen Gisela Opitz und der Kirchengemeinde gegeben, sagte Pfarrerin Dörte Wernick am Rande der Trauerfeier. In Arbeit war eine öffentliche Stellungnahme beider Seiten. Superintendent Bertram Althausen bedauerte, dass der „lange Prozess der Versöhnung durch den Tod zerrissen wurde“. Als sichtbares Zeichen des Aufeinanderzugehens sei der ausdrückliche Predigtauftrag für Gisela Opitz zu sehen. So durfte die Theologin den Gottesdienst am Heiligen Abend 2004 in der Kirche am Neuendorfer Anger halten. „Außerdem“, so Althausen, „ gibt es seit November konstruktive Gespräche zur kirchlichen Nutzung des Hauses am Neuendorfer Anger“ – so wie es sich Gisela Opitz gewünscht hat.

Ulrike Strube

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