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Aus dem GERICHTSSAAL: Opfer ohne Gedächtnis

Verfahren gegen mehrfach Vorbestraften eingestellt

Aus dem GERICHTSSAALVerfahren gegen mehrfach Vorbestraften eingestellt Der Platz auf der Anklagebank ist Justus J. * (34) längst vertraut. Seit 1994 musste sich der Obdachlose in schöner Regelmäßigkeit vor Gericht verantworten. Nüchtern war er bei seinen Straftaten – so Widerstand gegen Polizeibeamte, Gefährdung des Straßenverkehrs und Unfallflucht – nie. Zweimal wurde der Mann bereits wegen Vollrausches verurteilt, zuletzt am 4. Januar zu sechs Monaten Haft. Justus J. sitzt derzeit eine widerrufene Bewährungsstrafe ab. Zu seiner neuesten Verhandlung wird er von zwei Justizwachtmeistern in Handfesseln in den Saal begleitet. Wieder einmal war es der Alkohol, der den Junggesellen am Nachmittag des 16. Januar 2003 über die Stränge schlagen ließ. Und wie so oft hat Justus J. keine Erinnerung mehr an das Geschehen. Laut Anklage soll er nach einem Trinkgelage in der Wohnung seines Vaters auf einen Bekannten eingeschlagen, ihn danach aus der Tür geworfen haben. Der ältere Mann sei unsanft auf dem Boden gelandet, habe mehrere Platzwunden am Kopf davongetragen. Als die Polizisten in dem Mehrfamilienhaus eintrafen, lag das Opfer blutend vor der Wohnungstür. Justus J. – als Täter identifiziert – soll sich wie wild gebärdet, den Ordnungshütern mehrfach den ausgestreckten Mittelfinger gezeigt, sie mit den gängigen Schimpfworten beleidigt und gedroht haben, ihnen eine Kugel in den Kopf zu schießen. Die Staatsanwaltschaft betont das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung. „Keine Ahnung, dass ich den Mann geschlagen habe“, meint der wegen Körperverletzung und Bedrohung Angeklagte. „Ich weiß nur noch, dass es irgendwann zum Streit kam.“ Ein als Zeuge geladener Polizist erinnert sich an Blutspuren im Flur des Hauses und die Aussage des Vaters von Justus J., sein Kumpel sei die Treppe heruntergefallen. „Das kam mir komisch vor, da der Verletzte direkt vor der Wohnungstür lag“, so der Beamte. Das Opfer Otto O.* (68) weiß von nichts mehr. „Ick war im Krieg verschüttet. Deshalb vajesse ick allet“, begründet er. Das Gericht stellt das Verfahren gegen Justus J. im Hinblick auf eine Verurteilung vom April 2004 wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte ein, da die Strafe, die er jetzt zu erwarten habe, gegenüber der damals ausgesprochenen Sanktion – sechs Monate auf Bewährung – nicht sonderlich ins Gewicht fallen würde. (*Namen geändert.) Hoga

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