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Landeshauptstadt: „Schnellschüsse bringen nichts“

Moritz van Dülmen, seit einem Jahr Projektleiter der Kulturhauptstadt Potsdam 2010 GmbH, blickt nach vorn

Moritz van Dülmen, seit einem Jahr Projektleiter der Kulturhauptstadt Potsdam 2010 GmbH, blickt nach vorn Herr van Dülmen, die Geschichte um das gescheiterte Potsdamer Literaturstipendium für den Romanautoren Andreas Maier hat einige Wellen geschlagen. Kann man jetzt schon von Auswirkungen auf die Potsdamer Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt sprechen? Sicherlich ist diese Aktion nicht förderlich. Sie hat einen gewissen Imageschaden hervorgerufen und eine große Medienaufmerksamkeit erzeugt. Aber man muss hier unterscheiden zwischen der derzeitigen öffentlichen Wahrnehmung und der Entscheidung der Jury über die Potsdamer Bewerbung im Frühjahr. Ich möchte den Vorfall nicht relativieren, aber man muss die Bewerbung zur Kulturhauptstadt im Ganzen betrachten. Bei Andreas Maier konnte ich mich am Freitag noch persönlich entschuldigen Trotzdem, es gab heftige Kritik für die erste Bewerbungsschrift, die so genannte Winteredition, Kritik unter anderem an der Aktion der Schirmherrschaft und jetzt die Pleite mit Andreas Maier. Stellt sich da nicht die Frage, ob Potsdam überhaupt noch ein ernst zu nehmender Bewerber zur europäischen Kulturhauptstadt ist? Auch hier muss man unterscheiden. Die Kritik an der Schirmherrschaft kam von wenigen Leuten, deren Äußerungen nicht annähernd eine entsprechende öffentliche Resonanz, geschweige denn überregional Beachtung gefunden haben. Das war nur ein Miniglosse in der Lokalzeitung wert. Bei der Kritik an der Winteredition kamen viele Dinge zusammen. Aber es war meiner Meinung nach weniger eine Kritik am Inhalt der Bewerbungsschrift, die von Anfang an nicht darauf hin ausgelegt war, ein endgültiges Bewerbungsbuch zu präsentieren. Es war von vornherein eine Weiterentwicklung zur so genannten Sommeredition geplant, insbesondere auch was die Bebilderung, Sommer- anstatt Winterfotos, anbelangt. So sorgten insbesondere die Motive der ersten Winterplakate für Irritationen. Dramaturgisch gesehen ist die Strategie der Winter- und Sommeredition insgesamt ganz gut gelaufen, denn so war die Möglichkeit der Steigerung gegeben, denn wir konnten uns nur verbessern. Die Sommeredition ist sehr gut angekommen. Natürlich laufen bei einem solchen, unter großem Zeitdruck entstandenen Gesamtprojekt, nicht immer alle Aktionen optimal. Doch wo gehobelt wird, da fallen auch Späne. Ich sehe das ganz entspannt, denn im Gesamtkontext der Bewerbung schadet dies letztendlich nicht. Im Dezember sind sie ein Jahr als Projektleiter für die Kulturhauptstadt Potsdam 2010 GmbH tätig. Wie sieht der persönliche Rückblick aus? Das erste Vierteljahr war menschlich fast das spannendste. Ich kam in eine neue Stadt und war mit einer gewaltigen Aufgabenstellung konfrontiert, die mit einer großen Erwartungshaltung verbunden war und ist. Ich musste diese Stadt kennen lernen und überlegen, wie präsentieren wir Potsdam in diesem bundesweiten Wettbewerb. Welches Konzept können wir in kurzer Zeit entwickeln, das versucht, die Potsdamer Gesellschaft auch mit all ihren Befindlichkeiten und Problemen, wie beispielsweise das der historischen Mitte, einzubeziehen. Dann kam die Vorbereitung der Sommeredition gemeinsam mit dem Land und einer kleinen Arbeitsgruppe, die viel mehr Zielgruppen ansprechen sollte als noch die Winteredition. Und es ist eine Bewerbungsschrift entstanden, die noch heute eine sehr gute Figur auch im Vergleich zu den Mitbewerbern macht. Nach der Präsentation im Juli im Auswärtigen Amt in Berlin haben wir uns erst einmal eine Atempause gegönnt und dann mit den Überlegungen und konkreten Planungen begonnen, wie es im Herbst und im kommenden Frühjahr weitergehen soll. Die Kulturhauptstadt GmbH wird meist nur über die öffentlichen Aktionen wahrgenommen. Wie aber sieht die Arbeit der GmbH hinter den Kulissen aus? Wir sind ein Team von fünf festen Mitarbeitern, von denen zwei in Folge eines Unfalls derzeit krankheitsbedingt ausfallen, dazu freie und studentische Mitarbeiter. Auf der einen Seite geht es um eine ständige Pflege und Kooperation mit fast schon unzähligen Einrichtungen und Vereinen, vor allem im Bereich der Kultur, die wir als Partner und Multiplikatoren verstehen. Das reicht von der Beteiligung an fast jedem Stadtteilfest über Promotion bis hin zu Veranstaltungen und Vorträgen. Dazu gehört auch, sich beispielsweise mit dem Tourismusstammtisch zusammenzusetzen und mit den Hoteliers darüber zu sprechen und zu diskutieren: Was erwartet ihr? Dazu eine sicherlich unterschwellige aber dauernde Präsenz die wir aufbauen, und das mit einem kleinen Team und relativ wenig Geld, 600000 Euro pro Jahr. Viel Kleinarbeit, viel Organisationsarbeit also, ständig neue Ideen, die immer wieder auf ihre Tauglichkeit für die Bewerbung überprüft werden müssen. Viele parallele Geschichten, die eine immense Vorbereitung brauchen, denn am Ende soll es ja funktionieren. Schnellschüsse bringen hier gar nichts. Es passiert bei uns sehr viel, nur nicht immer in der Öffentlichkeit. Aber es vergeht trotzdem keine Woche, in der das Thema Kulturhauptstadt nicht in irgendeiner Form kommuniziert wird. Daneben arbeiten wir ganz gezielt an einer europäischen Ausrichtung, von der man derzeit in Potsdam noch am wenigsten spürt. Was ist unter europäischer Ausrichtung zu verstehen? Unsere Bewerberschrift ist die einzige in fünf Sprachen.Darauf sind wir besonders stolz. Diese Bewerbungsschrift haben wir an viele europäische Einrichtungen verschickt, damit auch außerhalb Potsdams, außerhalb Deutschlands das Anliegen unserer Stadt bekannt wird. Einerseits erreichen wir damit, dass auch in Spanien klar ist, ach Potsdam, das sind doch die, die sich für 2010 beworben haben. Anderseits ist eines unserer Hauptanliegen, einen Beitrag für Europa zu leisten. Und daher bauen wir unsere internationale Vernetzung bereits jetzt intensiv auf und aus. Doch trotz der europäischen Ausrichtung ist auch die Arbeit im eigenen Land wichtig. Und da sind andere Bewerberstädte wie Karlsruhe beispielsweise mit Plakaten in Berlin sehr präsent. Warum wirbt Potsdam nicht auch auf diese Art? Werbung ist immer eine Frage des richtigen Zeitpunktes. Ich möchte jetzt nicht eine Million Euro für eine Werbekampagne ausgeben, die darüber informiert, dass wir uns bewerben und die nach zwei Monaten schon wieder vergessen ist. Die Wirkung, die man damit erzielt, steht in keinem Verhältnis. Was Berlin als Hauptstadt betrifft, haben wir den Vorteil der geographischen Nähe. Das ist ein kostenloser Werbeeffekt, den andere Städte durch spezielle Aktionen wie Plakatierungen auszugleichen versuchen. Wie wird das Thema Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2010 mittlerweile in Potsdam wahrgenommen? Im letzten halben Jahr haben wir den Grundstein in Potsdam gelegt. Das Thema der Bewerbung ist nun in der Stadt weitestgehend bekannt. Potsdam hat gute Chancen und das kann man auch glaubhaft vermitteln. Im nächsten halben Jahr wollen wir noch verstärkter in die Öffentlichkeit gehen, damit das Thema Bewerbung noch präsenter wird. Jeder soll darüber informiert werden aber gleichzeitig auch wissen, dass es sich dabei um eine Bewerbung mit neun Konkurrenten handelt. Wir beginnen im Januar zunächst mit der Beflaggung der Potsdamer Innenstadt, so beispielsweise auch vor den großen Hotels. In weit mehr als 1000 Geschäften haben wir Aufsteller mit dem Logo „Potsdam 2010" aufgestellt. Daneben ist zum Jahresbeginn ein Infoblatt geplant, das an alle Haushalte verteilt werden wird und rund um das Thema Kulturhauptstadt informiert. Wie sieht der weitere Verlauf auf der nationalen Entscheidungsebene aus? Die Entscheidung im Bundesrat, welche Stadt oder welche Städte nach Brüssel vorgeschlagen werden sollen, fällt voraussichtlich zwischen Ende Juni und Ende September. Die neue siebenköpfige Jury, die die Kultusministerkonferenz berät, wird sich wohl im Februar oder März intensiv mit den zehn Bewerberstädten auseinander setzen. Ich hoffe, dass durch diese Jury konkrete Fragen an die Bewerber gestellt werden und es nicht zu einer ähnlichen Präsentation wie schon im Juli im Auswärtigen Amt kommt, die fast schon Züge eines Folklorezirkus angenommen hatte. Voraussichtlich Ende April, Anfang Mai wird das Votum der Jury gegenüber der Kultusministerkonferenz erwartet, welches dann, da bin ich mir ziemlich sicher, so an den Bundesrat weitergeben wird. Und wie genau sieht der Aktionsplan der Kulturhauptstadt GmbH für die kommenden sechs Monate aus? Neben der schon erwähnten verstärkten Werbung in der Innenstadt und dem Infoblatt, soll einmal im Monat in Verbindung mit einem Kulturhauptstadtbotschafter ein besonderes Thema präsentiert werden, wie schon im November der Filmwettbewerb mit dem Regisseur Andreas Dresen. Für den Dezember laufen Überlegungen wie Wolfgang Joop uns unterstützen kann. Im Januar oder Februar folgt die Arbeit mit der Sängerin und Schauspielerin Jeanette Biedermann, die an einem Internetspiel, in dem es um Potsdam, Kultur und Europa geht, mitwirkt. Für Mai planen wir eine relativ große Medientagung. Dabei soll es sich nicht um eine einmalige Veranstaltung handeln, sondern das Konzept einer europäischen Diskussionsplattform bis 2010 weiterentwickelt werden. Wir wollen zeigen, dass Potsdam eine europäische Rolle spielt. Es ist wichtig, schon frühzeitig auf die Internationalität und europäische Dimension der Kulturhauptstadt hinzuweisen. Potsdam ist auch außerhalb Deutschlands attraktiv, denn der Name Potsdam ist bekannt, den muss man, wie andere Bewerber, nicht erst kommunizieren. Uns fällt es leichter, die europäische Karte zu spielen. Potsdam kennt Moritz van Dülmen nur als Projektmanager der Kulturhauptstadt GmbH. Wie erlebt man Sie als Privatmenschen? Für mich gibt es kaum einen Unterschied zwischen Privat und Job, das geht ineinander über. Die Frage nach Hobbys erübrigt sich, es gibt keine. Aber trotzdem ist mir meine Freizeit mit meiner Frau und Freunden sowie regelmäßiger Urlaub wichtig. Ich habe Spaß an Kultur und Kunst, das ist auch der Beweggrund warum ich in dieser Branche tätig bin. Schon früh habe ich mein Herz ans Theater gehängt. Während meines Studiums der Betriebswirtschaftslehre in Saarbrücken habe ich als Statist am Saarländischen Staatstheater angefangen, später auch als Regieassistent gearbeitet. Ich bin jemand, der schon immer gerne aktiv war. Ich war in der Schule an der Gründung einer Schülerzeitung beteiligt, während meines Studiums habe ich auch als Reiseleiter in Spanien und Griechenland gearbeitet. Einfach machen, das ist es, was mich beruflich wie privat prägt. Das Interview führte Dirk Becker

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