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Landeshauptstadt: Sicherer Stand für die „Goldbestäubte“

Projektgruppe der Fachhochschule Potsdam trägt in Samarkand zur Rettung eines Weltkulturerbe-Denkmals bei

Projektgruppe der Fachhochschule Potsdam trägt in Samarkand zur Rettung eines Weltkulturerbe-Denkmals bei Von Erhart Hohenstein Anfang Dezember an der Tilla-Kari-Moschee in Samarkand: Drei 15 Meter tief in den Untergrund reichende Betonpfähle werden einer Probebelastung mit hydraulischen Pressen unterzogen. Bis zu 160 Tonnen halten sie aus. „Wir sind auf einem guten Weg“, stellen danach die beiden Potsdamer Professor Johannes Vielhaber und Diplombauingenieur Sven Wallasch fest, die den Belastungstest vorbereitet und beobachtet haben. Eine aus Wissenschaftlern und Ingenieuren der Fachhochschule Potsdam und Freiberuflern bestehende Projektgruppe hat den Auftrag erhalten, die Rettung der 1646 bis 1660 gebauten Hauptmoschee der Moslems in Usbekistan zu begleiten. Die Fachhochschule wurde von der Bundesregierung, die dieses Vorhaben in ihrem Programm zur „Kulturguterhaltung in Schwellenländern“ finanziell fördert, als Projektträger ausgewählt. Zu dessen Aufgaben gehört auch die Kontrolle über die zweckmäßige Verwendung der Fördergelder. Leiter der Gruppe ist Prof Dr.-Ing. Johannes Vielhaber, Dekan des FH-Fachbereichs Bauingenieurwesen und seit dem neuen Jahr auch Prorektor der Fachhochschule. Die drei mit Koranschulen (Medresen) verbundenen Moscheen auf dem Registan, dem historischen Marktplatz Samarkands, zählen zum Unesco-Weltkulturerbe. Tilla-Kari (übersetzt „die Goldbestäubte“) ist besonders gefährdet. Ihre 1870 bei einem Erdbeben eingestürzte Kuppel wurde gut ein Jahrhundert später während der Zugehörigkeit Usbekistans zur Sowjetunion durch eine neue ersetzt – mit viel schwerem Beton, und das halten die schwachen Streifenfundamente und der Untergrund nicht aus. Die Moschee steht auf einer Jahrtausende alten, 15 Meter mächtigen Kulturbodenschicht, die sehr labil ist. Auch der darunter anzutreffende Grundwasser führende Lehm trägt zur prekären Lage des Objekts bei. „Der schwere Kuppelbau bewegt sich jährlich ein bis drei Zentimeter in Richtung Erdmittelpunkt, eine dramatische Geschwindigkeit“, veranschaulicht Prof. Vielhaber. Vor etwa zehn Jahren hatte die Unesco Untersuchungen eingeleitet, wie die Moschee durch Verstärkung und Verbreiterung der Fundamente stabilisiert werden kann. Aus zahlreichen Vorschlägen nationaler und internationaler Experten – allerdings oftmals angesichts der lokalen und finanziellen Bedingungen in dem jungen Staat gar nicht umsetzbar – wurde eine Grundidee von Prof. Askar Khasanow ausgewählt, der an der Technischen Universität Samarkand (Samgassi) lehrt, und von der Potsdamer Projektgruppe modifiziert. Der Bau soll künftig auf stahlbewehrten Betonpfählen von bis zu 80 Zentimetern Durchmesser ruhen. Die engen Pfahlgruben, also die Schächte, in die der Beton eingebracht wird, werden 15 Meter tief in Handarbeit (!) ausgeschachtet, um den Baukörper vor den Erschütterungen durch schwere Bohrtechnik zu bewahren – laut Sven Wallasch „eine nahezu unglaubliche Leistung der usbekischen Bauleute“. Die Pfahlgründung soll den Bau, der in einem Erdbeben gefährdeten und häufig von schweren Unwettern heimgesuchten Gebiet steht, auf Hunderte Jahre hinaus sichern. Sie soll im Jahr 2005 abgeschlossen werden und ist die Voraussetzung für die weitere Sanierung und Restaurierung des Kuppelturms. Seine Mauerwerksteile haben sich durch die ungleichmäßige Setzung gegeneinander verschoben und weisen zahlreiche Risse auf. Außenwände und innere Stützpfeiler sind in Schieflage geraten. Auch das aus Glasurziegeln, Fayencetafeln und -mosaiken bestehende Dekor der Fassaden ist beschädigt. Der Kuppelsaal und andere Teile der Moschee von Samarkand können aufgrund der Schäden nur noch eingeschränkt genutzt werden. Auch für den Tourismus ist die Wiederherstellung von großer Bedeutung. Samarkand war bekanntlich ab dem 14. Jahrhundert Mittelpunkt des von dem Heerführer Timur geschaffenen Weltreiches, das sich von Kleinasien bis Indien und vom Kaukasus bis zum Arabischen Meer erstreckte. Unter Timur und seinen Nachfolgern wurde die Stadt prachtvoll ausgebaut und erhielt unter anderem den an drei Seiten von Moscheen umstandenen Registan, der als einer der bedeutendsten Platzanlagen der Architektur des Islam gilt und deshalb in das Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Die Potsdamer Projektgruppe, zu der außerdem Prof. Dr. Hermann Kleen, Dr. Hella Ruebesam, Dr. Elke Reuschel und Uwe Rödiger als „Bauleiter vor Ort“ gehören, wirkt laut Prof. Vielhaber bestens mit den an dem Vorhaben beteiligten Usbeken, dem Kultusministerium und der Deutschen Botschaft zusammen. In Usbekistan gebe es eine schon in sowjetischer Zeit aufgebaute, gut strukturierte Denkmalpflege mit kompetenten Fachleuten. Auch in die Familien ihrer Kollegen werden die Potsdamer eingeladen, wie die Usbeken überhaupt ein gastfreundliches und geselliges Volk sind. Sie gehören in der Mehrzahl der Weltreligion des Islam an. So findet der Besucher beispielsweise auf dem Gelände der Moscheen am Registan Souvenirläden und Teestuben – in denen es nicht nur Tee gibt.

Erhart Hohenstein

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