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Sport: Turbine kickt brasilianisch

Potsdam verpflichtete Cristiane und landete damit einen spektakulären Transfer im deutschen Frauenfußball

Potsdam verpflichtete Cristiane und landete damit einen spektakulären Transfer im deutschen Frauenfußball Potsdam kickt künftig brasilianisch. Gestern Nachmittag einigten sich Cristiane Rozeira de Souza Silva, genannt Cristiane, und der FFC Turbine über einen Vertrag zwischen der brasilianischen Nationalstürmerin und dem Deutschen Meister bis Sommer 2005. „Wir sind froh, neben unseren Weltmeisterinnen eine weitere Weltklassespielerin mit großer Spielkultur und hohem Kreativitätsvermögen verpflichtet zu haben, die auch gut in unsere Mannschaft passt“, freute sich Turbine- Coach Bernd Schröder über den spektakulären Transfer, der die erste Brasilianerin in die deutsche Frauenfußball-Bundesliga bringt. Mit der Verpflichtung Cristianes und der deutschen Nationalspielerin Sonja Fuss (FSV Frankfurt) seien Turbines Verpflichtungen in der Winterpause beendet, erklärte er. Schröder sah sich nach der Vertragsunterschrift beim abendlichen Hallentraining bestätigt: die Südamerikanerin gefiel mit ausgezeichneter Ballbeherrschung, einem guten linken Fuß sowie harten und präzisen Schüssen, die im Übungsspiel auch in vier Treffern mündeten – nur mit der Kondition hapert es noch. „Was aber kein Problem ist. Insgesamt sieht man schon die Bereicherung, die sie unserem Spiel geben kann“, so der Chefcoach, ehe die gesamte Mannschaft inclusive Brasilianerin zum gemeinsamen Abendessen in den „Fliegenden Holländer“ einrückte. „Potsdam ist eine sehr schöne Stadt“, erzählte Cristiane, die seit Mittwoch an der Havel weilt, den PNN. „Man kam mir hier sehr freundlich entgegen und ich freue mich, bei Turbine mitspielen zu können. Die Mannschaft hat mich nett aufgenommen und es ist zu spüren, dass hier eine gute Trainingsarbeit geleistet wird.“ Sie glaube, in Potsdam noch einiges dazulernen zu können, so die 19-Jährige, die die letzten sechs Jahre beim FC Sao Bernardo Sao Paulo spielte. „Vor allem vom Spielsystem her.“ Außerdem wolle sie Deutsch lernen, erklärte sie und lachte: „Oder ich bringe den anderen Portugiesisch bei.“ Wie im brasilianischen Fußball üblich, lernte Cristiane das Kicken schon als Sechsjährige auf der Straße – von ihrem vier Jahre älteren Bruder Wellington, der jetzt als Grafiker arbeitet und sie nun nach Potsdam begleitet hat. Zu Hause ist die Kickerin in Osasco, einem Vorort Sao Paulos, wo noch ihre Eltern – Mutter Ivete ist Hausfrau, Vater Euclides Kraftfahrer – und Schwester Aline (12) leben. 14-jährig spielte Cristiane dann erstmals in einer Mannschaft, seit vier Jahren gehört sie zu Brasiliens A-Nationalteam und U19-Auswahl. Wie viele internationale Spiele und Tore sie auf ihrem Konto hat, „kann ich wirklich nicht sagen, ich habe es nicht gezählt“, bekennt síe, um einige Stationen ihrer bisherigen Karriere aufzuzählen: „Zwei Weltmeisterschaften mit der U19, eine mit den Frauen, zwei Südamerika-Meisterschaften mit der U19, eine mit den Erwachsenen, ein Vier-Länder-Turnier in Korea, die Panamerikanischen Meisterschaften der Frauen und zuletzt die Olympischen Spiele in Athen.“ Dort gewann die Südamerikanerin mit Brasiliens Auswahl Olympiasilber. So gut es Cristiane in Potsdam gefällt – sie mummte sich im Freien gleich in zwei dicke Turbine-Jacken. „Daheim herrschen jetzt zwischen 34 bis 38 Grad und man ist viel am Strand – hier in Deutschland ist es ganz schön kalt“, gestand die Stürmerin, die sich vorab bei ihrer Nationalmannschaftskameradin Marta vom schwedischen UEFA-Cup-Sieger Umea IK über die europäischen Gegebenheiten informierte. Cristiane weiß auch, dass mit Marcelinho und Gilberto zwei Brasilianer im benachbarten Berlin bei Hertha BSC kicken. „Marcelinho hat auch mal für Sao Paulo gespielt“, erinnerte sie sich und nannte einen hiesigen Vorzug: „In Brasilien spielt Frauenfußball keine Rolle, hier in Europa eine immer größere, was an der gründlichen Arbeit der Klubs liegt.“ Es gäbe daheim viele Fußballvereine für Männer, die aber keine Frauenabteilungen hätten. Das weibliche Geschlecht kickt in Universitätsmannschaften oder – wie Cristiane bisher – in Teams, die Schulen angegliedert sind. „In Sao Paulo gibt es 50 solcher Mannschaften wie meine. Wir haben keine Sponsoren und werden nur von den Familien unterstützt. Lediglich bei Einsätzen in der Auswahl erfolgt eine finanzielle Vergütung. Deshalb kann ich jetzt in Potsdam erstmals vom Fußball leben,“ sagt sie. Sie soll mit 1500 Euro pro Monat und einem Auto über einen Sponsor nach Potsdam gelockt worden sein; einen Führerschein hat sie allerdings noch nicht. Heute fliegt Cristiane zunächst wieder heim, am 1. Februar wird sie zurückerwartet; dann mit einer Begleiterin, die aber keinen Vertrag erhält, sondern ihr nur in der Ferne Gesellschaft leisten soll. „Vielleicht bringt sie ja U19-Kapitän Kelly mit“, mutmaßt Schröder, der vor hat, im Sommer eine zweite Brasilianerin für Turbine zu verpflichten.

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