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Landeshauptstadt: „Wir rollen den roten Teppich aus“

Mit dem „Stadt in Stadt“-Konzept verfolgen die Gestalter der Speicherstadt wirtschaftliche Interessen – aber auch einen Traum

Herbert Knoblich kennt die Speicherstadt sehr genau. Nicht nur, weil er mehr als ein Jahrzehnt als Landtagspräsident auf dem Brauhausberg über dem seit 1990 brach liegenden Gelände thronte. Er musste sich auch von Amts wegen mit dem etwa sieben Hektar großen Areal beschäftigen – gab es doch mehrfach Anläufe, einen neuen Landtag in der Speicherstadt zu platzieren.

Doch nicht allein die gute Ortskenntnis hat Knoblich zu einem Sprecher der Speicherstadt Potsdam GmbH werden lassen: Die in dieser Gesellschaft tätigen Männer eint nicht nur wirtschaftliches Interesse, sondern ein gemeinsamer Geist. Geschäftsführer Jürgen Jahn, der Architekt Prof. Dr. Holger Kühnel, Projektentwickler Dieter Franke und Herbert Knoblich sind dabei, sich in Teamarbeit mit vielen anderen einen Traum zu verwirklichen: Aus der Speicherstadt unterhalb des Brauhausberges, einer Industriebrache in bester Lage am Havelufer und nur wenige Meter vom Hauptbahnhof entfernt, soll ein Stadtteil entwickelt werden, in dem bereits Zukunft gelebt wird. Dabei ist dies zunächst nur auf einem Teilgebiet möglich: auf dem Gelände des ehemaligen Königlich Preußischen Heeresproviantamtes. Geplant ist jedoch, die gesamte Speicherstadt auf neue Weise zu entwickeln. Der jetzige Bauabschnitt 1 soll gewissermaßen Initialzündung sein – und Einladung zum Mitmachen. „Wir rollen den roten Teppich aus“, so Knoblich.

Energieversorgung ausschließlich auf der Grundlage erneuerbarer Energien, eine ökologische und auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtete Bauweise und die Ansiedlung innovativer, auf regionale Ressourcen und Nachhaltigkeit ausgerichteter Unternehmen – das sind die wichtigsten Prämissen, die sich die Speicherstadt-Gesellschaft gesetzt hat. Gelingt das Vorhaben, wäre die Speicherstadt Potsdam ein deutschlandweit einmaliges Vorzeigeprojekt.

„Natürlich“, so sagt Franke, „wollen wir Geld verdienen“, doch gehe es ihnen um mehr. Das breite Spektrum der Bedürfnisse des Menschen stünde im Mittelpunkt aller konzeptionellen Überlegungen. Dies erfordere eine „völlig neue Art von Projektentwicklung“. Dieses andere Herangehen zeige sich, so Knoblich, insbesondere daran, dass mit absoluter Gründlichkeit und im Gedankenaustausch vorgegangen werde. So fallen auch gleich viele weitere Namen, die am Konzept „Stadt in Stadt“ mitgewirkt haben. Dazu gehören auch Roberto Angelucci, Präsident der Organisation „Slow City“, und Carlo Petrini, Präsident von „Slow Food“ – beides weltweit agierende Organisationen, die Alternativen zur heutigen Lebensweise suchen. Und Jeremy Rifkin, Ökonom und Zukunftsforscher aus den USA. Rifkin hat zahlreiche Bücher über ökonomische, wissenschaftliche und kulturelle Entwicklungen verfasst. Er hat auch die Theorie einer auf Wasserstoff-Energie basierenden Wirtschaft entwickelt.

So weit ist es in Potsdam noch nicht. Aber die Idee, den gesamten Energiebedarf mit Biogas zu decken und damit unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden, hat Rifkin für die Speicherstadt Potsdam begeistern lassen. Rifkin wird kommende Woche in Potsdam erwartet, als Gast einer wissenschaftlichen Veranstaltung, in der es um Energiefragen geht – und um die Speicherstadt.

Knoblich spricht gern von einer Gemeinschaft Gleichgesinnter, die das Projekt tragen. Dies sei auch Garant dafür, dass die selbst gestellten Prinzipien eingehalten würden. So vieles sei denkbar, um den Stadtteil nachhaltig lebenswert zu gestalten: Kunst im Persiusspeicher, alternative Medizin, Bioläden und Restaurants, die nur einheimische und saisonale Produkte verwenden und Häuser mit Wohnungen, die auf die individuellen Bedürfnisse von Familien, Singles oder Alten ausgerichtet sind. Alles nur ein Traum? Jahn betont, dass die finanziellen Fragen geklärt seien. Noch in diesem Jahr soll es richtig losgehen. „Im Mai“, verspricht er, „ist die erste Musterwohnung fertig“.

Michael Erbach

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