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Kultur: Das Jahr fängt ja gut an

Neujahrskonzert mit dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt im Nikolaisaal

Neujahrskonzert mit dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt im Nikolaisaal Auch wenn es erst an seinem Anfang steht: Das Jahr hat ein weites Maul und einen großen Magen. Sagt jedenfalls das Sprichwort. Wie viele der guten Vorsätze und Wünsche mögen dann darin verschwunden und verdaut sein?! Hoffentlich nicht jenes Begehr, dass es das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt nach immerhin drei Jahren endlich lernen möge, sich der Akustik des Nikolaisaals anzupassen. Warum können die Musiker nur laut?, fragen sich in der Pause viele Besucher des gut besuchten Neujahrskonzertes. Auch, ob es Arroganz oder Unvermögen des Dirigenten sei. Was von Sir Arthur Sullivan (1842-1900) in seinen Operetten wie „Der Gardist des Königs“ und „Der Mikado“ mit tonsetzerischem Pomp und viktorianischer Emphase in Noten gesetzt ist, wird von den Musikern entsprechend ausladend und schmissig ausgebreitet. Damit beginnt unter Leitung von Oliver Pohl eine Neujahrsreise „Von der Themse an die Donau“, die viel Schwung und gute Laune verbreiten will. Ohrwürmer sind die Sullivanschen Beiträge nicht. Sir Edward Elgars (1857-1934) laut und schwungvoll gespielter Marsch Nr. 1 aus „Pomp and Circumstance“ op. 39 schon eher. Doch warum wird mit ihm das Defilee der über die Toppen geflaggten Musikdampfer nicht eröffnet? Mit an Bord Christine Hellert als souveräne, flott-fröhlich moderierende Chefstewardess, die mit anekdotenreichen Hinweisen zu Werk und Autoren nicht spart. Nachdem der englische Flusslauf verlassen und Spree und Seine erreicht sind, kommen auch die Gesangssolisten zunehmend in Fahrt. Nachdem sie, noch in empire''schen Hoheitsgewässern schippernd, dem „Mikado“ (einem fernöstlichen Henker, der das Köpfen nicht sonderlich mag) einen Schmachtfetzen vorgetragen hat, zeigt sich die spielbegabte und gestaltungsbewusste Catherine Veillerobe mit lyrischen Sopranschmelz dann als auch optisch proppere Frau Luna. Schwelgerisch preist sie „Schlösser, die im Monde liegen“ an. Hat sie einen Vertrag mit einer Immobilienfirma, die lunares Tafelsilber verscherbeln muss?! Doch das Orchester deckt, wie unsensibel, nicht nur hier ihre liebreizenden Stimmentäußerungen gnadenlos zu. Dagegen kann sich John Charles Pierce mit seinem opulenten Heldentenor nicht nur als Künnekescher Vetter aus Dingsda erfolgreich wehren. Mühelos und strahlend übertönt er das entfesselte Orchester. Sein Handicap: beim Singen der deutschen Texte klebt er fast immer an den Notenblättern. Dass er auch als gefühlvoller Lyriker eine gute Figur zu machen versteht, gehört zu den erfreulichen Eindrücken der immer wieder applaudierten Nummernfolge. An der Seine finden Musiker wie Dirigent schließlich zu jener flotten und leichten Hand, die Jacques Offenbachs „Pariser Leben“-Ouvertüre erfordert. Im Cancan aus „Orpheus in der Unterwelt“ fliegen die imaginären Röcke und Beine der Tänzerinnen. Vor der Pause unterbricht sich die Stimmung des Abends immer wieder durch unnötige Auf- und Abgänge des Dirigenten. Nach der Pause verbleibt er dann auf der Kommandobrücke. Was dazu führt, dass die Fahrt auf der Donau zum genussreichen Abenteuer wird. In Arien und Duetten aus Operetten von Johann Strauss (Sohn) kann sich tenorale Pracht verströmen, der Sopran in lyrischen Wonnen baden. Mit einer Prise Puszta-Paprika würzt die deutsch-französische Sängerin Catherine Veillerobe das „Fledermaus“-Bekenntnis „Klänge der Heimat“, während sie im „Wiener Blut“-Duett an der Seite des nun schmelzend auftrumpfenden Tenors John Charles Pierce ihren Stimmspiel appeal voll entfalten kann. Ja, das alles können sie (im „Zigeunerbaron“) und noch mehr – nämlich einen Walzer singen. Den „An der schönen blauen Donau“ genüsslich im schwebenden Dreivierteltakt zu spielen, gelingt den Musikern mit walzerseliger Eleganz. Dafür werden sie besonders herzlich bedankt. Die Zugabe folgt sogleich an der finalen Anlegestelle. Es ist, was sonst, der unverwüstliche Radetzky-Marsch. Die Mannschaft spielt ihn, präzise und schmissig, zunächst ohne Kapitän. Es geht prächtig. Als ob er sich in seiner Ehre (oder Eitelkeit) verletzt fühlte, schwingt Oliver Pohl alsbald wieder den Taktstock. Die Musiker reagieren abweisend. Gönnt er ihnen den Erfolg nicht, allein das Stück meistern zu können?! Peter Buske

Peter Buske

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