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Kultur: Der Idealist mit dem Makel

Der RBB strahlt heute einen Dokumentarfilm über den DEFA-Regisseur Kurt Maetzig aus

Der RBB strahlt heute einen Dokumentarfilm über den DEFA-Regisseur Kurt Maetzig aus Von Marion Hartig Auf einen Gehstock gestützt steht Kurt Maetzig da, lächelt, schüttelt die ihm entgegengestreckten Hände. Viele Bekannte sind am Montagabend ins Filmmuseum Berlin gekommen, um ihn, den 93-Jährigen, zu sehen – und den Film, den zwei junge Filmemacher aus dem Westen über ihn gedreht haben: „Filmen für ein besseres Deutschland“, eine Dokumentation von Dorothea Schild und Markus Tischer. Heute um 22.45 Uhr wird der Streifen im RBB ausgestrahlt. Zwei Westdeutsche drehen einen Film über einen ostdeutschen DEFA–Regisseur. Sie kamen auf die Idee, als sie bei Recherchen zu einem anderen Film auf ihn stießen und sich von seinem Filmwissen beeindrucken ließen, erzählen die im Publikum sitzenden Filmemacher. Ganz nah hat sie der Regisseur an sich herangelassen, erzählt vor der Kamera aus seinem Leben, der DEFA-Zeit, dem großen Knick in seiner Karriere, der nach seiner „öffentlichen Selbstkritik“ zu „Das Kaninchen bin ich“ (1965) kam. „Einen schädlichen Film“ hatte er seinen justizkritischen, beim ZK der SED auf Kritik gestoßenen Film genannt - und durfte weiter arbeiten. Schildt und Tischer lassen Weggefährten zu Wort kommen, Armin Müller-Stahl, Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase und Regisseur Egon Günther. Im an den Film anschließenden Gespräch wird Kohlhaase erklären, dass Mitte der Sechziger kein DEFA-Regisseur wirklich Filme gegen den Staat machen wollte. Es sei darum gegangen, Konflikte öffentlich zu machen. Auch Egon Günther wird in der Runde sitzen und Maetzig verteidigen. „Die Androhungen waren deutlich“, Maetzig habe alles auf sich genommen, damit es weiter ging, Das sei das Entscheidende gewesen. Der Dokumentarfilm steigt mit einer glücklichen Szene ein. Mauerfall, jubelnde Menschen in Berlin. Vier Tage später hat der lange unter Verschluss gehaltene Film „Das Kaninchen bin ich“ endlich Premiere. Kein Triumph für Maetzig, den überzeugten Sozialisten. Der Versuch DDR ist endgültig gescheitert. Warum lässt sich ein Idealist darauf ein, sein eigenes Werk zu verraten? Immer wieder blitzt diese Frage im Film auf, suchen Schildt und Tischer nach einer Erklärung. Ohne dabei aber anzuklagen. Ganz vorsichtig puzzeln sie die Fragmente seines Lebens zu einem Bild zusammen. Eine Erzählerstimmer spricht von Maetzigs glücklicher Kindheit in Charlottenburg, von seiner jüdischen Mutter, die sich im Dritten Reich versteckt und zum Ende des Krieges Gift nimmt. Maetzig selbst findet bis zur Befreiung durch die sowjetische Armee in Werder Unterschlupf. Er hat sich eine Art Labor eingerichtet und experimentiert mit Filmen. „Filme sind eine große Sache“, sagt er bei einer Tasse Tee vor dem Bücherregal seines Arbeitszimmers. Die DDR ist für ihn das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Der Idealist gründet die DEFA mit, wird Chefredakteur der Nachrichtensendung „Der Augenzeuge“. Er arbeitet für eine neue Glaubwürdigkeit der Filmwelt, will motivieren zum Wiederaufbau. Die Zensur der sowjetischen Kulturoffiziere sieht er locker: „Sie waren dazu da, faschistisches Gedankengut zu verbieten“. Maetzig dreht „Ehe im Schatten“, einen Film gegen den Faschismus, dann „Rat der Götter“. Die Schuld des Einzelnen ist das Thema, das ihn bewegt. „Echte Kunst will etwas befördern“, ein echter Künstler bezieht Stellung, nimmt Partei ein für etwas, sagt der Regisseur, so hat er sein Wirken, seine Werke verstanden. Auch die beiden Thälmannfilme, die er im Auftrag der Regierung auf die Leinwand brachte. Heute allerdings bekommt er „rote Ohren“, wenn er an die monumentalen Schinken denkt, er schämt sich. Für seine Selbstkritik schämt er sich nicht. Er sei sehr erschrocken gewesen über die Reaktion des ZKs, erzählt er im Film. Plötzlich waren die Kulturminister von ihren Posten verschwunden. Wie reagieren? Es konnten nicht alle in den Westen flüchten. Und er sah die DDR noch immer als das bessere Deutschland. „Die Aufgabe blieb“, erklärt der Regisseur. Er wollte die Sache durchstehen, Kollegen, die an ähnlichen Stoffen arbeiteten warnen. Und hoffte darauf, das wieder bessere Zeiten kommen. Unaufgeregt sitzt der alte Mann im Podium und hört sich an, was die Welt zu diesem Thema, diesem Makel, der nunmehr seit fast 40 Jahren an ihm haftet, zu sagen hat. Er weiß nicht mehr, ob er auch aus Furcht vor schrecklichen Folgen, Berufsverbot, Gefängnis, so gehandelt hat, wie er es tat, mit der Zeit verschwimmen die Argumente, sagt er. Und doch meint man, ihn langsam zu verstehen. Noch heute hat der Regisseur etwas zu sagen – und man hört dem klugen Mann gern zu. Heute ist Kurt Maetzig zu Gast bei der Vernissage der Ausstellung „Babelsberg - Gesichter einer Filmstadt“ im Filmmuseum Potsdam

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