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Kultur: Der Priester schöne alte Kleider

Ein prächtiger Bildband erschließt den Brandenburger Domschatz als Hort landesgeschichtlicher Zeugnisse

Ein prächtiger Bildband erschließt den Brandenburger Domschatz als Hort landesgeschichtlicher Zeugnisse Von geradezu beschämend weltlichem Prunk müssen die kirchlichen Feiern inBrandenburgs Dom während des Mittelalters gewesen sein. Die Markgrafen als Landesherrn und manchmal auch der Kaiser samt Gefolge kamen zu Besuch. Kerzenlicht und Gesänge durchfluteten den hohen Raum, und die Priester trugen kostbare, farbenfrohe Gewänder. Viele der seltenen Stoffe waren in Italien oder China aus kostbarer Seide oder als schimmernder Samt gearbeitet worden. Das meiste der liturgischen Kleidung wurde von Künstlern in Böhmen oder Franken reich mit biblischen Bildern bestickt. Die textilen Schätze des Brandenburger Domes mit neuem Leben erfüllt zu haben, ist das augenfällige Verdienst eines reich bebilderten, just erschienenen Bandes. Gerade in Potsdam werden auch Geschichtsinteressierte ihn gerne zur Kenntnis nehmen, war der Brandenburger Dom als geistliches Zentrum der Markgrafschaft im Mittelalter doch der politische Vorläufer der heutigen Landhauptstadt. Dabei sollten Nicht-Fachleute sich von den fachwissenschaftlichen Professionen der beteiligten Autoren ebenso wenig verschrecken lassen wie vom nüchternen, aber korrekten Buchtitel: „Liturgische Gewänder und andere Paramente im Dom zu Brandenburg“. Denn mehr als eine katalogartige Zusammenstellung und besseres als wissenschaftliches Fach-Chinesisch hat der opulent ausgestattete Band zu bieten. Wohl nur Spezialisten wird interessieren, dass eine Stola nach der Radiokarbon-Methode auf das Jahr 915 +/- 55 Jahre zu datieren ist. Doch dass der Stoff aus dem Nahen Osten schon im 11. oder 12. Jahrhundert hierzulande verwendet wurde, erzählt von den Verbindungen der Mark; sie reichten bis an die Grenzen der damals bekannten Welt. Und nicht nur fachwissenschaftlich bedeutend ist der ungewöhnlich reich erhaltene Domschatz, der internationalen Ruf genießt. An seinen Objekten, die für das Buch restauriert und neu fotografiert wurden, lässt sich auch Landesgeschichte ablesen, wie Prof. Helmut Reihlen, Kurator des Domstifts, bei der Buchvorstellung bekundete. Das konnte die Berliner Kunsthistorikerin Evelin Wetter, die einen Gutteil der spätmittelalterlichen Stücke bearbeitete, mit verschiedenen Beispielen illustrieren. Unzweifelhaft auf den Landesherrn Friedrich I. ist ein weiter, kurz nach 1400 entstandener Chormantel aus rotem Samt zurückzuführen. Das brandenburgische Adlerwappen prangte dem geistlichen Träger stets groß vor der Brust. Damit reklamierte der Markgraf nachdrücklicher als heutige Sponsoren durch ihre Logos seinen Anspruch auf das einflussreiche Domstift. Er ließ die Priester gleichsam für seine Machtposition Werbung laufen. Prächtiger noch als dieses Stück ist das gut 50 Jahre jüngere Messgewand des 1440 gestifteten Schwanenordens. Über rot-goldenem Brokat samt aus Italien ist auf dem Rücken in plastischer Stickerei die Ordenskette mit Anhänger und heute leerem Schriftband angebracht. Unübersehbar stechen wieder die Wappen des brandenburgischen Landesherrn hervor. Bemerkenswert ist, dass die 1536 in der Stadt Brandenburg eingeführte Reformation nicht die Zerstörung, sondern die Bewahrung der Gewänder begünstigte, während das katholische Konzil von Trient eine Veränderung der Liturgie und damit auch der Kleidung mit sich brachte. Im Brandenburger Dom wurden die alten Paramente weiter benutzt, teilweise bis 1811, als eine königliche Ordre den Talar zur verbindlichen Amtstracht der Geistlichen bestimmte. Der sakralen Stiftungstätigkeit der Herrscher tat dies keinen Abbruch. Zur Neueinweihung des Domes 1836 schenkten die preußischen Prinzessinnen eine Altardecke aus violettem Samt. Den Entwurf lieferte Schinkel. Einer Altarverkleidung auf Raffaels nicht minder berühmter Disputà in den vatikanischen Stanzen entlehnte er den kunstvoll verschlungenen Knoten. Die weit gespannten kulturgeschichtlichen Verbindungen offen gelegt zu haben, ist nur ein Verdienst des knapp achtzig Objekte umfassenden Bandes. Die 500 farbigen und schwarzweißen Abbildungen sind von bestechender Brillanz. Unvermeidliche Fachtermini sind in einem Glossar erläutert, wissenschaftliches Beiwerk klug auf Verzeichnisse und Randspalten verteilt. Und damit bei aller Freude über die Reproduktionen die originalen Stücke nicht leiden, wurde 2002 am Domstift eine eigene Werkstatt für textile Restaurierung eingerichtet. Geleitet wird sie von der Potsdamer Restauratorin Geertje Gerhold, die dafür sorgt, dass der kostbare Paramenten-Schatz weiterhin seinen Glanz verbreiten kann. Götz J.Pfeiffer Domstift Brandenburg/Helmut Reihlen (Hrsg.): Liturgische Gewänder und andere Paramente im Dom zu Brandenburg. Regensburg: Schnell & Steiner 2005. 148 Euro.

Götz J.Pfeiffer

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