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Kultur: Jenseits von Klischees

19 Kompositionen zum zweiten Tag des Festivals

19 Kompositionen zum zweiten Tag des Festivals Wer am Sonnabend Nachmittag zum Intersonanzen-Festival wollte, musste Polizeiketten durchdringen. Die wenigen Besucher, die diesen schwierigen Zugang zur Neuen Musik überwanden, erlebten im Alten Rathauses ein beeindruckendes Nachmittagskonzert, zu dem die Sirenen des politischen Tagesgeschehens stete akustischer Begleiterinnen waren. Zu erwarten war aufgrund der Instrumentierung Harfe und Flöte, eine impressionistische Stunde. Doch schon das erste Stück, „Psalmos“ von Helmut Zapf, löste die Instrumente aus ihrem Image, wies ihnen abwechselnd die Melodieführung zu und nahm sie als zu erkundende Klangkörper ernst. Überraschend, wie wenig dabei Spezialeffekte benötigt wurden. Anders Hans Hüttens Komposition „Sehnsucht“ für Harfe Solo, die über weite Strecken, dem Klischee des Instruments folgte. Katharina Hanstedt an der Harfe erwies sich als eine hervorragende und sensible Interpretin des musikalischen Materials, ebenso Klaus Schöpp, dessen Interpretation von Salvatore Sciarrinos „All“aure in una lontanza“ für Flöte Solo in ihrer Virtuosität atemberaubend war. Im Gegensatz zu Besuchern eines klassischen Konzertes, die Bekanntes interpretiert hören wollen, bietet Neue Musik den Reiz des gänzlich Ungehörten. An seinem zweiten Tag bot das Festival allein 19 Kompositionen, die meisten aus diesem Jahr. Vier Stücke erlebten ihre Uraufführung. Das Wagnis enttäuscht zu werden war deshalb so gering wie die Möglichkeit der begeisternden Überraschung groß. Die Uraufführung von „Totem“ von Pèter Köszeghy kontrastierte in Lautstärke und Dissonanz mit den überwiegend verhaltenen Stücken, die bisher zu hören gewesen waren. Viel Applaus erhielt die zweite Uraufführung, „Gesichter“ für Klarinette in B. von Susanne Stelzenbach. Die dritte Uraufführung „Vom Geheimnis den Sternen zuzuhören“, eine akustische Relektüre des „Kleinen Prinzen“ von Stefan Bartling, erklang im Nachtkonzert. Stimmen vom Tonband, die scheinbar memorierend und deshalb kaum verständlich Fragmente aus dem Kinderbuch von Saint Exupéry sprachen, wurden punktuell vom Bläserquartett des Kammerensembles Neue Musik Berlin begleitet. Für assoziierendes Hören ließ das durchaus interessante Konzept wenig Freiraum. Zum sehr konzentrierten Zuhören lud Alex Nowitz“ „Solo für verstärkte Bassklarinette und CD-Zuspiel“ ein, die vierte Uraufführung des Abends, deren Kompositionsprinzip der Dialog des Instrumentalisten mit vorgefertigten Klängen war. Als vorauseilendes Echo diente das Klangmaterial der CD dem Selbstgespräch der Bassklarinette, das durch die Intensität des Insichgekehrtseins der Klänge berührte. Der Australier Thomas Meadowcroft vertonte mit „Acre Blocks / Würzgatzel“ Dialoge von Vögeln und Maschinenfahrzeugen und ließ sich dabei von den akustischen Begleiterscheinungen so genannter Grundstücksnutzbarmachung inspirieren. Das klang deshalb reizvoll, weil sich der Komponist einer Wertung der Klänge enthielt. Der kleinste gemeinsame Nenner der gehörten Kompositionen schien die Abwehr von Klischees zu sein. Dass die akustische Auflösung von Stereotypen auch als Kommentar zu den Demonstrationen gegen Rechts am Wochenende in Potsdam gehört werden konnte, zeigte das Stück „Albedo IX“ von Helmut Zapf, in dem das anatolische Saiteninstrument Baglama eingebettet in dem Kontext Neuer Musik erklang. Die Komposition setzte in gelungener und für die Zuhörenden nachvollziehbarer Weise statt auf Exotik auf eine gleichberechtigte Stellung im Ensemble. Lene Zade

Lene Zade

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