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Kultur: Mega-Wonne-Walzer

Wiener Strauß-Galakonzert im Nikolaisaal

Mit stoischem Gesicht streicht die Cellistin ihr Instrument, der graumähnige Geiger nimmt den Beifall ergebenen Blicks entgegen, nur der Bassist blickt fesch in die Gegend. Die fünfzehn Musiker des „Wiener Belvedere Salonorchester“ wirken ein bisschen abgekämpft, wie Fabrikarbeiter nach der Schicht. Kein Wunder, schließlich ist dies eines jener reisenden Ensembles, die jeden Abend das gleiche Programm an einem anderen Ort spielen. Nach Gießen, Bad Kreutznach und Bad Blankenburg steht jetzt Potsdam auf ihrem langen Tourneeplan. Das Unternehmen nennt sich „Wiener Walzerkönige – Galakonzert“, steht unter der Leitung des „Stehgeigers“ Michael Landchek und verfügt zudem über eine Sopranistin und eine kleine Balletttruppe.

Ihre Existenz verdanken sie – neben anderem – zwei entscheidenden Dingen: den Walzern, Polkas und Märschen der Strauß-Komponisten und der Zustimmung, die diese bis heute bei einem breiten Publikum genießen. „Gibt es etwas Schöneres, als sich einen Abend lang in die Welt der Wiener Walzerseeligkeit entführen zu lassen“, heißt es dazu im Programmheft. Einen Abend lang eine heile Welt erleben und dabei vertrauten Klängen lauschen, darum geht es. Das Publikum im relativ gut gefüllten Nikolaisaal gehöre nicht zu den Sofahockern vor der Glotze, sondern es hat Wege und Kosten auf sich genommen, um die Musik live zu hören. Dafür zollt ihnen der rührige Stehgeiger Michael Landchek ein großes Lob und führt gleich überzeugend vor, wie groß der Unterschied zwischen einem Fernsehgeiger, der Play back spielt, und lebendigem Geigenspiel auf der Bühne ist. In der Tat, die Musiker spielen ohne Verstärker, auch die Sängerin kommt ohne Mikroport aus. Mit den possierlichen Darbietungen des Balletts ergibt das ein grundsolides, anheimelndes Spektakel, das viel Applaus erhält. Dass das „Wiener Belvedere Salonorchester“, der „Wiener Stehgeiger“ und das „Wiener Hof Ballettensemble“ eigentlich aus Polen kommen, interessiert da höchstens pedantische Kritikaster. Hauptsache, sie machen ihre Sache gut. Zwar wirken die Stücke etwas routiniert und gemächlich im Tempo, werden aber insgesamt korrekt gespielt. Die Conférence des standhaft freundlichen Stehgeigers Michael Landchek trägt das ihre zum Erfolg bei. So bittet er um Applaus für die Kostüme der Damen des Orchesters, erklärt charmant seinen eigenen Anzug, einen traditionellen Stresemann. Voll Stolz berichtet er, dass sein Orchester die Originalbesetzung der Tanzkapelle von Johann Strauß übernommen habe. Beim rührend animierten „Seufzer-Galopp“ unter zaghafter Beteiligung des Publikums steigt die Wohlfühlstimmung beträchtlich. Ob „Tritsch-Tratsch“- oder „Tik-Tak“-Polka, „Frühlingsstimmen“- oder „Wein, Weib und Gesang“-Walzer – das Publikum genießt die mitreißenden Melodien und vertrauten Klänge sichtlich. Dreimal erscheint die junge Sopranistin Joanna Luto und weiß stimmlich und darstellerisch mit berühmten Arien aus der „Fledermaus“ und der „Nacht in Venedig“ zu erfreuen. Nicht zuletzt die drei Tanzpaare rufen Entzücken hervor mit komisch-pantomimischen, zarten und zuckersüßen, natürlich stets konventionellen tänzerischen Einlagen. Zum Schluss, beim Mega-Wonne-Walzer „An der schönen, blauen Donau“ erhellt sich sogar das Gesicht des Geigers. Er lächelt jetzt hingebungsvoll beim Spiel.Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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