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Kultur: Rasante Touren, ungewohnte Klänge Sylvester mit der Kammerakademie im Nikolaisaal

Nach einem Musizierabend schrieb Wolfgang Amadeus Mozart an seinen Vater: „Wir waren allseits so zufrieden, dass ich die Frauenzimmer küssen musste: bei der Tochter kam es mich gar nicht hart an, denn sie ist gar kein Hund.“ Musik und Küsse – früher galten sie oft als quasi natürliche Verbindung zwei verschiedener Elemente, die mit etwas Champagner umso prickelnder wurden.

Nach einem Musizierabend schrieb Wolfgang Amadeus Mozart an seinen Vater: „Wir waren allseits so zufrieden, dass ich die Frauenzimmer küssen musste: bei der Tochter kam es mich gar nicht hart an, denn sie ist gar kein Hund.“ Musik und Küsse – früher galten sie oft als quasi natürliche Verbindung zwei verschiedener Elemente, die mit etwas Champagner umso prickelnder wurden. Heute dagegen ist die alte Allianz von „Wein, Weib und Gesang“ aus verschiedenen Gründen fast unaussprechlich geworden. Dass dennoch einmal an solch irdische Lustbarkeiten erinnert und Loblieder der leichten Muse erklingen durften, ermöglichte die Kammerakademie Potsdam bei ihrem Sylvesterkonzert.

Am letzten Abend des alten Jahres scheuten die Musiker im Nikolaissaal nicht vor Stücken zurück, denen, selbst wenn sie von renommierten Komponisten stammen, der zweifelhaft gewordene Ruf bloßer Unterhaltungsmusik anhaftet. Unter der Leitung ihres neuen Chefdirigenten Michael Sanderling, der sich dabei auch in amüsanter Conference übte, erklangen Kompositionen von Leopold und Amadeus Mozart sowie von Johann Strauss Vater und Sohn. Komisch, derb und pittoresk kommen Leopold Mozarts Marsch aus der „Bauernhochzeit" und die Auszüge aus der „Musikalischen Schlittenfahrt" daher. Der musikalische Schalk saß den Musikern im Nacken, als sie sich für das „Schüttelnde Pferd" Mohrrüben und Zuckerln zureichten. Beim „Allegro" parlierten Oboe, Fagott und Horn jeweils paarweise miteinander, während „Das vor Kälte zitternde Frauenzimmer" mit klagenden Aufstrichen der Violinen regelrechtes Mitleid hervorrief. Von Sohn Wolfgang bleibt das anmutig balancierte und im Adagio fein ausgesungene Divertimento C-Dur KV 157 in besonders guter Erinnerung.

Anders als Vater Mozart war Vater Strauß über die musikalischen Ambitionen seines Sprösslings keineswegs erfreut: „Jetzt will der Mistbub’, der Johann, auch Walzer schreiben, wo er keinen Dunst davon hat und es mir schon Mühe macht, in zwölf oder acht Takten was Neues zu bringen.", schrieb Johann Strauss senior verzweifelt und verbot seinem Sohn das Geigespielen. Was glücklicherweise nichts gebracht hat, denn sonst wäre die Welt um zahlreiche musikalische Luststücke wie die „Champagner-Polka", die „Tritsch-Tratsch-Polka", den Konzertwalzer „Wein, Weib und Gesang" oder den „Damen-Toilette-Walzer" ärmer. Die Kammerakademie folgte enthusiastisch den Tonspuren dieser und anderer Klassiker wie dem „Sorgenbrecher" und dem „Sperl-Galopp" von Vater Strauß. Auf kleinere und größere, genau berechnete Anläufe und Bremsfahrten folgten rasante Touren geradeaus. Bei Polka und Galopp – oder im Kreis herum beim Walzer – voll ungewohnter Motorengeräusche mit klingelnden Triangeln, ploppenden Korken und markantem Aufheulen der Kolben: sprich der Blechbläser. Mit diesem schwungvollen Jahresausklang haben die Kammerakademie und ihr neuer Chefdirigent Michael Sanderling viel Lust und Laune auf ihre Konzerte im neuen Jahr gemacht. Den passenden Champagner oder Prosecco gibt es im Foyer des Nikolaisaals, nur die süßen Küsse dazu müssen noch gesucht werden.

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