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Kultur: Stadtspieltruppe: Vom Sturm in die Flaute

Premiere von Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“

Premiere von Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“ Nach der erfolgreichen Wiederaufnahme des Brecht''schen Singspiels „Mahagonny“ im Frühjahr war man gespannt, wie Wilfried Mattukats „Stadt Spiel Truppe“ ihren ersten Shakespeare auf dem engen Havelkahn be-wältigen würde. Am Freitag hatte die 1602 entstandene Komödie „Was Ihr wollt“ ihre begeistert aufgenommene Premiere. Ihr zweiter Titel („Twelfth-Night“) bezieht sich auf den Dreikönigstag, auch Epiphania oder Hohneujahr genannt, die zwölfte Rauhnacht nach Weihnachten am 6. Januar, dem eigentlichen Jahresbeginn, wo manch gruselige Geister sich noch einmal tummeln. Das Rätsel dieses Titels ist bisher ungeklärt. Auch die zehn Spieler der seit 1992 agierenden Truppe lösten es nicht. Se boten mit dem großen, ein wenig an die „Komödie der Irrungen“ erinnernden Verwechslungsspiel der vor Illyriens Rauhküste gestrandeten Zwillingsgeschwister Viola (hervorragend Maria Haar) und Sebastian (Katrin Schüring) über weite Teile zuallererst gediegenes Theater. Mattukats Stärke: Er nimmt, wie bei Marivaux oder Brecht, seine Autoren ernst, sucht immer nach theatralischen Lösungen, wozu auch die so angenehm wirkende historische Kostümierung zählt. Diesmal wurde längsschiffs gespielt, das Publikum saß entsprechend. Die Bühne (Thorsten Walenta, Wilfried Mattukat) war mit drei Gassen ausgestattet, davor ein langer Steg bis zum Ende der Raumes, wo man zu Anfang das zum Verwechseln ähnliche Geschwisterpaar unter einem weißen Segel seefahren sah. Sturm und Schiffbruch löste eine schwarzwogende Folie, darunter die beiden sehr theatergerecht verschwanden. Nun verdingt sich die als Mann Cesario verkleidete Viola dem illyrischen Herzog Orsino (Norman Jahnke), welcher erfolglos für die schöne Gräfin Olivia (Anke Orschinack) schwärmt, man sieht ihr Gesicht in einem Bilderrahmen, dieser bleibt später so leer wir seine unerfüllte Liebe zu ihr. Klar, die trauernde Schöne hat sich in seinen poetelnd-zungengewandten Boten verknallt, in eine Frau. An ihrem Hofe tummeln sich bärenstarke Gestalten, allem voran der rotnasig-versoffene Onkel der Gräfin, Sir Toby, den Karl-Heinz Konrad mit aller Lust auszufüllen verstand. Der gleichfalls um Olivia werbende Sir Andrew (Rüdiger Braun), kleinwüchsig mit einer Kunstblume nestelnd, war das glatte Gegenteil dieser Falstaff-Figur, Klasse, die beiden. Fäden zum eingebildeten Haushofmeister und Pietisten Malvolio (gefärbte Haare, halbierter Bart, Simon Zetsche bis zur Pause eine große Figur) zog die in sich ruhende Zofe Maria (Karoline Weiß), indem sie ihm einen angeblich von Olivia stammenden Liebesbrief zuspielte, mit dem sich der Stelzer böse zum Narren machte. Bob Schäfer aber, so gut gedacht wie schlecht pointiert, gab den echten eher philosophisch. Nun knüpft Shakespeare die Fäden überzwerch: Die Gräfin verliebt sich brünstig in Cesario, diese aber naturgemäß in den Herzog, und alles wird noch viel verwickelter, als der tot-geglaubte Sebastian mit seinem hilfreichen Kapitän Antonio (Stefan Geburek) plötzlich wieder auftaucht. Späße und hübsche Ein-fälle haufenweis''. Shakespeare hat das Zentrum des Stückes weit nach hinten verlagert. Dreh- und Angelpunkt ist die Wiedersehens-Szene von Viola und Sebastian - wie man sie im rechten Zeitmaß gestaltet, entscheidet über die Glaubwürdigkeit des Happy end. Auf dem Theaterschiff brach genau hier die Kausalkette ab. Das Ende musste geglaubt werden, denn Shakespeares Muse schien die alerte Amateurtruppe ausgerechnet an dieser Stelle verlassen zu haben. Zwar gaben ein skurriles Duell zwischen Andrew und Cesario/Viola und andere Szenen noch einiges Gelächter her, doch rächte sich jetzt die nicht immer dramatische Anlage wichtiger Figuren im ersten Teil. Typen wie Toby, Andrew und Maria hielten das ohne Mühe aus, Charak-tere wie Malvolio, die geprellte Gräfin, vor allem das Geschwisterpaar, nicht, Katrin Schüring fühlte sich in ihrer überstürzten Liebhaber-Rolle ganz offensichtlich nicht wohl. Wie sollte sie die unbekannte Gräfin plötzlich zum Heiraten lieben? Auch der Part um den getäuschten Antonio (ihm droht ein Todesurteil) blieb ohne Folgen. Er taucht nicht mehr auf, ist es vollstreckt? So trieb, was im Sturm gut begann, nach der Pause allmählich in eine szenische Flaute. Nichts retardierte, Untertext ging verloren, lange vor dem letzten Vorhang stand die schöne Komödie still. Man hatte die tragische Seite vergessen. Schade, Theater wird ja immer vom Schluss her gelesen. Mögen die neuen Paare Viola - Orsino und Olivia - Sebastian trotzdem glücklich werden, denn die Bühne trägt Shakespeare''s Stücke immer noch gern - auch auf dem Theaterschiff zu Potsdam. Gerold Paul

Gerold Paul

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