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Potsdam-Mittelmark: Den Verbrechern auf der Spur

Ernst Gennat prägte in den 20er Jahren Berlins Kriminalgeschichte / Sein Grab ist auf dem Südwestkirchhof

Ernst Gennat prägte in den 20er Jahren Berlins Kriminalgeschichte / Sein Grab ist auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf - Einer der grausamsten Berliner Verbrecher, die „Bestie vom Schlesischen Bahnhof“, die 23 Frauen ermordete und anschließend zerstückelte, wurde bei seinem letzten Opfer gefasst: von Kriminalkommissar Ernst Gennat. Vor 125 Jahren, am 1. Januar 1880 wurde der Mann, der in Berlin Kriminalgeschichte geschrieben hat, geboren. Nach 59 bewegten Lebensjahren hat er im August 1939 auf dem Südwestkirchhof in Stahnsdorf seine letzte Ruhe gefunden. Aus diesem Anlass wurde seiner am Grabe anlässlich der ersten kultur-historischen Führung des Jahres 2005 gedacht. Gennats Beruf war ihm förmlich in die Wiege gelegt. Er wurde in Plötzensee geboren. Es war gar kein Ort, sondern Strafgefängnis. Hier wohnte auch das Bewachungspersonal, so auch seine Eltern. Hier verbrachte Gennat Kindheit und Jugend. Ein Bruder Gennats wurde Staatsanwalt und so sagte er später einmal: „Unsere Kunden bleiben stets in de Familie: ick fang se, men Bruder verknackt se und Papa sperrt se in....“ Ernst Gennat studierte an der Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität Jura und trat 1905 in den Polizeidienst. Bis zu seinem Lebensende war sein Arbeitsort das Berliner „finstere rote Polizeipräsidium“ (Alfred Döblin) oder die „Zwingburg am Alex“. Hier sollte er vom Hilfskommissar zum Kriminalrat avancieren. In den goldenen Zwanzigern entdeckte Ernst Gennat sein psychologisches Gespür für Mordfälle. Gennat war ein großer Menschen-Kenner und sagte einmal, dass „jedem Täter eine verhängnisvolle Zufälligkeit wie ein treuer Hund nachlaufe “ Gennat hatte eine unbestechliche Spürnase und entwickelte geradezu eine unheimliche Kenntnis der Mörderpsychologie. Er hatte eine bewundernswerte Ausdauer bei Verhören, lehnte aber physische Gewalt ab. „Unsere Waffen sind Gehirn und Nerven.“ Gennat besaß ein fabelhaftes Gedächtnis, um alte Fälle zu rekapitulieren. Aus Misserfolgen zog er Schlussfolgerungen und prägte eine Lehre, die heute noch gilt: „Am Tatort wird nicht angeordnet, sondern bereits Angeordnetes durchgeführt!“ 1925 wurde Ernst Gennat nach 20-jährigem Dienst zum Kriminalrat befördert, die höchste Sprosse der Kriminalistik-Leiter. Nun konnte er seinen eigenen Bereich, die Inspektion M (Mord) aufbauen, die am 1. Januar 1926 ihre Arbeit aufnahm. Er setzte seine bisherigen Erfahrungen nun in eigener Verantwortung um, erstellte eine deutschlandweite Verbrecherkartei und Vermisstenzentrale und führte das „Mordauto“ ein mit Materialien, die am Tatort benötigt werden. Der Erfolg war beeindruckend. 1931 konnte er von 114 Tötungsdelikten 108 aufklären. Ihm war auch klar, dass es viele Verbrechen gibt, die als solche gar nicht erkannt werden und zitierte einen Untersuchungsrichter: „Wenn auf den Gräbern derer, die eigentlich ermordet worden sind, Lichter brennen würden, dann wären unsere Friedhöfe nachts heller als der Kurfürstendamm“. 1933 erfolgte durch die neuen braunen Machthaber eine „Säuberung“ auch in den Reihen der Polizei, aber bei der Kripo blieb man oberflächlich. Man war auf die Erfahrung der Mitarbeiter angewiesen und dieser Bereich war relativ unpolitisch. Ernst Gennat hatte es nicht nötig, sich an zu dienen, zumal er immer unpolitisch war. Er machte seine Arbeit weiter, allerdings nur noch vom Schreibtisch, denn er hatte fähigen Nachwuchs herangezogen. Das für einen Kriminalisten unabdingbare Treppen steigen fiel ihm nämlich immer schwerer, denn Gennat wog 135 Kilogramm. Als eingefleischter Junggeselle, der etwas schlampig gekleidet war, hatte er einen entsprechenden Lebensstil: er verzehrte gerne Torte mit Schlagsahne und berufsbedingt Nachtarbeit, trank er literweise Kaffee. Er war menschenfreundlich und gutmütig, verlor nie die Ruhe und besaß keinen Beamtendünkel. Die rührseligen Kriminalisten i.R. des Berliner Polizeimuseums kümmern sich um das Grab ihres ehemaligen Kollegen, denn leider ist es kein Ehrengrab des Landes Berlin. Gerhard Petzholtz

Gerhard Petzholtz

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