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Hertha BSC: Am Scheideweg

Berliner Klubs im Test: Hertha BSC steht vor einem entscheidenden Jahr: Der dritte Platz nach der Bundesliga-Hinrunde soll nicht nur Zufall sein

Folge 6 und Schluss:


HERTHA BSC

Die Berliner Profiklubs stehen im neuen Jahr vor schwierigen Aufgaben, auch sie sind mit der Finanz- und Wirtschaftskrise konfrontiert. Der Tagesspiegel hat aus diesem Anlass in einer Serie untersucht, wie die Berliner Klubs für das Jahr 2009 aufgestellt sind. Heute zum Abschluss: Fußball-Bundesligist Hertha BSC.

Was hat sich verändert?

Bekanntlich hat Dieter Hoeneß den Verein Mitte der Neunziger neu erfunden. Seitdem war Hertha so etwas wie ein Manager mit einer Fußballmannschaft als Anhängsel. Bis Lucien Favre kam. Der Schweizer Trainer hat es in eineinhalb Jahren geschafft, die sportliche Kompetenz an sich zu reißen und Hoeneß auf den Rang eines Beraters zurückzustufen. Nie wurde das so deutlich wie in den zurückliegenden Winterwochen. Unter den Trainern Falko Götz, Jürgen Röber oder Huub Stevens wäre so etwas nie passiert: dass Hoeneß für ein paar Tage nach Brasilien fliegt, dort auch einen Spieler findet, mit ihm einen unterschriftsreifen Vertrag aushandelt – und der Trainer sagt: Nein, den will ich nicht. Favre lässt sich nicht reinreden, und der Erfolg gibt ihm recht. Hertha spielt rational-intelligenten Fußball und wird wieder als sportlicher Faktor wahrgenommen.

Was muss personell passieren? Dass Favre sich keine Spieler aufschwatzen lässt, die er nicht will, ist schön und gut, aber noch kein personelles Konzept. Das Zögern des Schweizers bei der Rekrutierung neuen Personals ist legendär, und es hat Hertha im Winter in die wenig kommode Lage gebracht, dass noch gar keine Verstärkung da ist. Das ließe sich verkraften, wenn denn das komplette Personal zur Verfügung stünde, mit dem Hertha in der Hinrunde auf Platz drei gestürmt ist. Danach aber sieht es zurzeit nicht aus. Pal Dardai und Gojko Kacar fallen zum Rückrundenstart aus, auch Cicero plagt sich mit seinem Körper, nachdem er ein Jahr ohne Pause durchgespielt hat. Diese drei Spieler bildeten im Mittelfeld das Fundament des Berliner Überraschungserfolgs. Um die Position zu verteidigen, benötigt Hertha zur Kompensation für zu erwartende Ausfälle dringend Verstärkung. Viel Zeit bleibt nicht mehr.

Wie stellt sich der Verein wirtschaftlich auf? Die Sehnsucht nach dauerhafter Zugehörigkeit zum Establishment im deutschen Fußball hat Hertha in den ersten Jahren des dritten Jahrtausends an den Rand des Ruins geführt. Damit stand der Verein für eine Fortführung der alten West-Berliner Versorgungsmentalität mit sportlichen Mitteln. Geben wir das Geld halt aus, es wird schon irgendwie reinkommen, wir sind schließlich Berlin. Damit ist es vorbei. Hertha definiert sich als ein mittelständisches Unternehmen, das sich den Gesetzen des Marktes unterordnen muss. Geld kann nur ausgegeben werden, wenn auch welches eingenommen wird. Da die Einnahmen nach dem kartellrechtlichen Scheitern des Kirch-Fernsehvertrags geringer ausfallen als erwartet, wird Hertha sich einschränken müssen. Heruntergebrochen auf die Tagespolitik bedeutet das: Große Einkäufe in der Winterpause plus Vertragsverlängerung von Marko Pantelic plus endgültige Verpflichtung von Andrej Woronin – all das zusammen wird nicht funktionieren.

Was sind die Höhepunkte in diesem Jahr? Der geträumte Höhepunkt wäre es, wenn Hertha am 23. Mai gegen 17.20 Uhr nach dem letzten Bundesligaspiel in Karlsruhe den Platz unter den ersten Drei behauptet hätte. Das wäre fast auf den Tag genau zehn Jahre, nachdem sich Hertha zum ersten Mal für die Champions League qualifizierte. Eigentlich aber ist die ganze Rückrunde ein einziger Höhepunkt. In jedem Spiel müssen die Berliner nachweisen, dass die Tabelle nicht lügt. Dass sie besser sind als Schalke, HSV, Dortmund oder Wolfsburg. Es könnte von Vorteil sein, dass die Konkurrenz in Herthas Aufschwung weiter ein Produkt aus Zufällen und temporären Schwächeperioden besser besetzter Klubs sieht. So hat der Hoffenheimer Siegeszug auch mal angefangen.

Wo will der Klub am Saisonende stehen? Es liegt im Wesen offizieller Sprachregelungen, dass sie keiner richtig ernst nimmt. Natürlich ist Herthas offizielles Ziel immer noch ein Platz, der zur Teilnahme am Uefa-Cup berechtigt. Aber niemand möge sich einbilden, dass dieses Ziel auch intern ausgegeben wird. Wer nach 17 Spielen auf Platz drei steht, will nach 34 Spielen nicht Fünfter sein. Mit einer durchaus möglichen Qualifikation für die Champions League könnte der Verein gleich drei Probleme lösen. Hertha wäre finanziell wieder solvent, könnte sich interessant machen für Spieler gehobenen Niveaus, und die Berliner Fans würden auch wieder in größerer Zahl ins Olympiastadion strömen. All das ist zu verführerisch, als dass die Klubführung sich nicht damit beschäftigen würde.

In der Serie sind außerdem erschienen: Füchse Berlin (12.1.), Alba Berlin (14.1.), SC Charlottenburg (18.1.), Eisbären Berlin (22.1.) und 1. FC Union (24.1.).

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