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© dpa-Zentralbild

Eiskunstlauf: EM ist Generalprobe für Olympia

Die Eiskunstlauf-EM ist für das gesamte deutsche Team eine Generalprobe für die Olympischen Spiele.

Berlin - Natürlich hockte er wieder vor den Spulen seines alten Revox-Tonbandgeräts. Neben ihm lag eine Schere, wie immer, die gelben Klebestreifen lagen gleich daneben, die benötigte er zum Zusammenkleben der Bänder. Martin Skotnicky stellt seit ewigen Zeiten so seine Musikstücke zusammen; hören, „Stopp“- Taste“, schneiden, kleben, wie bei einer Lehrvorführung im Technik-Museum. Alle lachen über ihn, das ist ihm bekannt, aber, „wissen Sie, das ist mir egal“.

Er war schon der weltbeste Eistanz- Trainer, als es diese ganzen Computerprogramme höchstens in High-Tech- Tonstudios gab, also steht er darüber. „Musik aus Hawaii“ ist sein jüngstes Werk, er hat es für William und Christina Beier zusammen gestellt. Die laufen morgen dazu, beim Originaltanz der Eiskunstlauf-Europameisterschaft. In Tallinn, Estland, haben sie gestern den Pflichttanz mit Platz 13 beendet. „Das war nicht ihr bester Tango“, sagte Skotnicky ein wenig ernüchtert.

Das deutsche Eiskunstlaufen besteht ja nicht bloß aus den zweimaligen Paarlauf-Weltmeistern Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy. Die werden sich heute mit ihrer erheblich modifizierten Kür zur Musik von „Jenseits von Afrika“ wohl ihren vierten EM-Titel holen. Nicht nur für sie, für das ganze deutsche Team ist Tallinn die Generalprobe für Olympia. Im Schatten der Stars gleiten auch die Geschwister Beier übers Eis, und wenn es besser als gestern läuft, dann traut ihnen der Eistanz-Bundestrainer Skotnicky „Platz zwölf zu“.

Das hört sich nur dann nicht so gewaltig an, wenn man ausblendet, dass die beiden sich nach jahrelanger sportlicher Symbiose im Mai 2008 trennten. Beide suchten sich neue Partner. Das hatte viel damit zu tun, dass die gegenseitige Zuneigung ziemlich überschaubar geworden war. Inzwischen ist die Geschwisterliebe wieder gewachsen, allein schon deshalb, weil sie getrennt wenig erfolgreich waren. Atmosphärische Probleme könnte natürlich die gemeinsame Wohnung wieder hervorrufen, aber Christina Beier verbringt viel Zeit bei ihrem Freund, da geht das schon, sagt Skotnicky.

Es geht auf jeden Fall so gut, dass beide mehrfach die Olympia-Qualifikationsnorm (145 Punkte) klar übertroffen haben. Seit Saisonbeginn sind sie wieder vereint, wurden Deutsche Meister und haben’s ins deutsche Olympiateam geschafft. „Aber an der Ausstrahlung können sie noch arbeiten“, sagt Skotnicky.

Ausstrahlung, gutes Stichwort. Wenn Stefan Lindemann einen Vorwurf kennt, dann den: „Du hast gute Sprünge, aber zu wenig Ausstrahlung.“ Er ist halt nur 1,63 Meter, da ist das nicht so einfach mit der Ausstrahlung. Aber in Tallinn will Lindemann wieder in die europäische Spitze. Wie 2005, da wurde er Dritter der Europameisterschaft. Es war die ganz große Zeit des Stefan Lindemann, die Zeit, in der er 2004 sensationell WM-Bronze gewann. Bald darauf verschwand er in der Unauffälligkeit. Verletzungen, Formschwächen, psychische Probleme, das ganze Programm.

Jetzt ist er wieder da, national auf jeden Fall. Lindemann wurde vor Peter Liebers Deutscher Meister, danach fielen sich Beide in die Arme. Sie trainieren in Berlin zusammen, den anderen auszustechen war auch psychisch schwierig. Aber Lindemann behielt die Nerven, deshalb ist er für Tallinn zuversichtlich. Immerhin sprang er zuletzt den dreifachen Axel sehr sicher. Den vierfachen Toeloop will er in Tallinn erst in der Kür zeigen. Und nach Vancouver ist sowieso Schluss, das hat er schon angekündigt. Er ist 29, nun ist genug; seinen Startplatz bei der WM im März hat er bereits Liebers überlassen.

Fair play eines Oldies ist das für Sarah Hecken. Sie ist 16 Jahre alt, sie gilt als die große Damen-Hoffnung der Deutschen Eislauf-Union. Toeloop, Salchow und Rittberger springt die Mannheimerin sicher dreifach, in Tallinn möchte sie mit dem jeweils dreifachen Flip und Lutz nachlegen. „Ein Tag ohne Eis ist langweilig“, verkündet sie, ganz die zielorientierte Aufsteigerin.

Aber so muss das sein, den Trainer gefällt diese Einstellung. So denkt auch Martin Skotnicky. Er ist manchmal allerdings auch bereit, den Athleten den Vortritt zu lassen. Die Musik zur Eistanz-Kür, die hat er William Beier schneiden lassen. Beethoven.

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