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Mitten durchs Grüne: Tagesspiegel-Kolumnist und Fahrrad-Experte Michael Wiedersich auf der Strecke

© Marcus Glahn

Graveln auf dem Jakobsweg: Eine Radtour von Zehlendorf nach Beelitz

Eine denkmalgeschützte Schleuse, Badestellen und ein Findlingsgarten am Seddiner See. Tagesspiegel-Kolumnist Michael Wiedersich verrät seine neue Lieblings-Gravelstrecke.

Eigentlich ist der Jakobsweg bekannt als Pilgerroute nach Santiago de Compostela in Nordspanien. Viele denken dabei vor allem an den Camino Francés, den traditionellen Hauptweg von den Pyrenäen nach Galizien, den Hape Kerkeling in seinem Buch „Ich bin dann mal weg“ beschrieben hat.

Wer nicht nach Spanien möchte, aber trotzdem der Jakobsmuschel folgen will, hat Glück. Denn kurz hinter Berlin kann man sich auf den Weg der Pilger machen, und das sogar per Rad – am besten auf dem Gravelbike.

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Startort dieser Radtour ist einer der schönsten Plätze Berlins, der Mexikoplatz in Zehlendorf. Zwei Springbrunnen, umrahmt von sorgsam gepflegten Gartenensembles, zeugen von der Exklusivität, die diese Gegend seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts ausstrahlt.

Die Ausfahrt startet am Mexikoplatz.

© Marcus Glahn

Wer mag, deckt sich hier noch mit einem Stück Kuchen oder einem Brötchen für unterwegs ein. Denn auf der Wanderfahrt entlang des Jakobswegs warten ganz viel Natur und Einsamkeit und nur wenige Verpflegungsmöglichkeiten.

Über Radwege führt die Route zunächst durch Kleinmachnow und dann zur denkmalgeschützten Schleuse am Teltowkanal.

Seit 1906 überwindet die Schleuse fast drei Meter Höhenunterschied zwischen Spree und Havel. An Wochenenden ist die Schleusnerbude geöffnet, die viele Informationen bietet.

Denkmalgeschütztes Bauwerk: die Schleuse Kleinmachnow

© Marcus Glahn

Gleich nebenan erinnert ein alter Straßenbahn-Triebwagen an die Linie 96, die hier einst endete – ein Kleinod Berlin-Brandenburger Verkehrsgeschichte.

Die Linie führte von Berlin-Mitte über Tempelhof, Lichterfelde, Teltow und Stahnsdorf bis zur Schleuse Kleinmachnow. Zwischen April und Oktober ist der Triebwagen sonnabends und sonntags von 13 bis 18 Uhr auch von innen zu besichtigen.

Der alte Wagen der Straßenbahnlinie 96

© Marcus Glahn

Anschließend geht es weiter bis zum Südwestkirchhof Stahnsdorf. Auf dem Friedhof sind die Gräber vieler prominenter Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und Wissenschaft zu entdecken, etwa Heinrich Zille, Manfred Krug oder Werner von Siemens. Aber Vorsicht, das Gelände ist sehr weitläufig.

Wir stoßen auf den Jakobsweg

Die Straße entlang des Friedhofsgeländes hält übelstes Kopfsteinpflaster bereit. Neben dem Fußgängerweg gibt es aber einen schmalen Waldweg, der deutlich schonender zu Material und Mensch ist. An dessen Ende dann stoßen wir, endlich, auf den Jakobsweg.

Die gelbe Muschel auf blauem Grund weist den Jakobsweg aus.

© Marcus Glahn

Seinen Ursprung hat der Pilgerweg in Stettin, er führt über weite Strecken entlang der alten Via Imperii, einer wichtigen Handelsstraße des Mittelalters. Diese Wege wurden gerne auch von Pilgern genutzt.

Badestellen in Güterfelde

Auf dem Jakobsweg beginnt eine radsportliche Schnitzeljagd. An jeder Wegweisung findet sich das Muschelsymbol. Manchmal zeigt es ganz offensichtlich den Weg, manchmal muss man genauer hinschauen. Wie in Güterfelde etwa, wo hinter dem Parkplatz am Güterfelder Haussee ein verwinkelter Weg rechts am Seeufer entlangführt.

Auf die Räder, fertig, los!

© Getty Images/pixdeluxe

Dort lädt eine Uferstelle gegenüber des Badestrands bei entsprechenden Temperaturen zu einem Sprung ins kühle Nass ein. Anschließend geht es wieder ins Gelände und dann auf breiten und einsamen Waldwegen um die Parforceheide durch Philippsthal und weiter nach Saarmund.

Die Graßnabe steht hoch

Etwas mehr als die Hälfte der Strecke ist absolviert, als wir auf die größte Erhebung des Tages treffen. Erst rollt es sich noch gemütlich über die asphaltierte Landstraße, doch nach der Brückenunterführung geht es scharf rechts wieder ins Gelände.

Gut unterwegs: Tagesspiegel-Kolumnist und Fahrrad-Experte Michael Wiedersich

© Marcus Glahn

Der gespurte Weg steigt relativ steil an. Die Grasnarbe steht jedoch hoch und von den Seiten ragen Sträucher und manchmal auch Brennnesseln in die Fahrlinie.

Hierher scheint sich kaum jemand zu verirren. Im Sommer ist der Weg oft so zugewachsen, dass das Ende der Steigung kaum zu erkennen ist.

Hinter der Kiesgrube Fresdorfer Heide beginnt der schönste Teil der Strecke. Zunächst steht Wildenbruch auf dem Fahrplan: Der kleine, eher unscheinbare Ort hatte im Mittelalter strategische Bedeutung, denn hier wurde die Heer- und Handelsstraße gesichert. Der Ortskern und die wuchtige Feldsteinkirche aus dem 13. Jahrhundert zeugen noch davon.

Lädt zur Pause ein: der Seddiner See

© Marcus Glahn

Zurück auf dem Jakobsweg führt ein Feldweg zum Großen Seddiner See. Dieser hat in den letzten Jahren zwar deutlich an Wasser verloren, baden kann man aber immer noch gut.

Besonders schön ist es am Kähnsdorfer Strand, der direkt an der Strecke liegt. Hier geht es lange flach ins Wasser hinein, genau das richtige für kurze Radlerhosen im Sommer.

Ein echtes Highlight wartet nur einige Hundert Meter weiter. Im Findlingsgarten am Seddiner See sind nicht nur die Steine sehenswert. Auf Besucher wartet eine nachgebildete Vegetationszone der Nacheiszeit, ein nachgebildeter Toteissee und eine Endmoräne.

Findlingsgarten am Seddiner See

© Marcus Glahn

Skulpturen verschiedener Künstler:innen sind in das Ensemble dauerhaft eingebettet. Auf dem Friedhof hinter dem Findlingsgarten liegt das Grab des 2021 gestorbenen Aktionskünstlers Ben Wagin.

Ein letztes Mal aufsatteln, der Weg führt gleich wieder in den Wald hinein. Der leicht sandige, aber breite Weg zieht sich bis Schlunkendorf, von dort geht es weiter bis nach Beelitz. Wer genug vom Radfahren hat, kann am dortigen Bahnhof in die Regionalbahn steigen und entspannt Richtung Potsdam und Berlin fahren.

Für alle anderen: Von Beelitz sind es jetzt nur noch knapp 2900 Kilometer bis Santiago de Compostela.

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