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Wirtschaft: Einkaufstourismus im Nachbarland

Von Singapur nach Malaysia, von Taiwan nach SüdkoreaVON KARL KRÄNZLE SINGAPUR.Die Finanz- und Wirtschaftskrise in Asien hat nun auch auf Länder übergegriffen, die bislang als die sichersten Bollwerke in der Region gegolten haben: Hongkong, Taiwan und Singapur.

Von Singapur nach Malaysia, von Taiwan nach SüdkoreaVON KARL KRÄNZLE

SINGAPUR.Die Finanz- und Wirtschaftskrise in Asien hat nun auch auf Länder übergegriffen, die bislang als die sichersten Bollwerke in der Region gegolten haben: Hongkong, Taiwan und Singapur.Die Aktienkurse gerieten auch in diesen Ländern zum Jahresanfang unter Druck, nachdem sich die drei noch im Vorjahr als widerstandsfähig erwiesen hatten.Zwar war es an der Hongkonger Börse bereits im Oktober zu einem Kurseinbruch gekommen, von dem sie sich jedoch weitgehend erholen konnte.Nach dem jüngsten Kursgewitter gilt ein baldiger Wiederaufschwung als unwahrscheinlich.Am Sonnabend wurde zudem bekannt, daß Asiens größtes unabhängiges Investmenthaus, die Peregrins Investments Holding mit Sitz in Hongkong, vor dem Aus steht.Auch für Singapur und Taiwan ist so lange mit keiner Erholung zu rechnen, als es nicht an der Währungsfront endlich zu einer Stabilisierung kommt. Nach der massiven Abwertung in Indonesien, Thailand, Malaysia, Korea und auf den Philippinen ist Asien billig geworden, sogar spottbillig.Aktien von Nobelhäusern wie den Fünf-Sterne-Hotels Shangri-La oder dem weltberühmten Oriental in Bangkok haben zur Zeit einen Kurswert, der ein Drittel der Baukosten dieser Häuser beträgt.Das Doppelzimmer in einem Spitzen-Hotel in Kuala Lumpur, Jakarta oder Bangkok kostet jetzt umgerechnet noch etwa 110 DM, ein reichhaltiges Frühstücks-Buffet im Preis inbegriffen.Kein Wunder, daß die Singapurer jetzt zum Einkauf ins benachbarte Malaysia, die Hongkonger nach Thailand und die Taiwaner nach Südkorea fahren, wo für alles - von Designer-Jeans bis zu Kameras - höchstens noch halb soviel verlangt wird wie daheim.Andererseits können Singapur, Hongkong und Taiwan sich mit ihren Erzeugnissen auf ausländischen Märkten gegen die Konkurrenz der Nachbarn immer weniger behaupten.Folglich geraten jetzt auch ihre Währungen unter Abwertungsdruck. In Indonesien, Thailand, Malaysia und auf den Philippinen sind es nicht mehr die Spekulanten und Investoren aus dem Ausland, die mit ihrem Rückzug aus diesen Märkten anfänglich zu der Krise beigetragen haben.Die Vertrauenskrise ergreift in zunehmendem Maß die einheimischen Anleger, Industrielle und auch Vertreter aus der sozialen Mittelschicht, die ihre Ersparnisse abheben und bei ausländischen Geldhäusern Fremdwährungs-Konten eröffnen.Fällt zum Beispiel die indonesische Rupie an einem einzigen Tag um 10 Prozent, heißt das, daß die Schuldenlast für die in US-Dollar verschuldeten Firmen im selben Ausmaß zunimmt.Also kaufen sie die US-Währung, bevor diese noch teurer wird.Just dadurch ist der Abwertungswettlauf in den letzten Tagen beschleunigt worden. Wann nimmt der Schrecken ein Ende, wo ist der Boden, nachdem an den Börsen eine Widerstandsgrenze nach der anderen durchbrochen wurde? Wenn Firmen, die im vorigen Sommer drei Mrd.Dollar wert waren, jetzt nur noch 500 Mill.Dollar kosten, müßte es doch Interessenten geben, die diese in Bedrängnis geratenen Unternehmen aufkaufen! Dasselbe gilt für Portofolio-Investments.Es gibt Investoren - auch aus dem Ausland - die sich an dem "bargain hunting" beteiligen.Beliebt sind Aktien von Firmen, die Dinge für den täglichen Gebrauch herstellen, auf die man auch in Krisenzeiten nicht verzichten kann - zum Beispiel Wegwerfteller und Bestecke aus Plastik für den Schnellimbiß.Ein führender Hersteller in Thailand ist Srithai Superware.Die Aktie dieser Gesellschaft hatte auf dem Höhepunkt des Börsenbooms 154 Baht gekostet; unlängst kostete der Titel noch 4 Baht.Seitdem einzelne Fondsmanager Gefallen an dem Wert gefunden haben, steigt der Kurs wieder. Das sind Ausnahmen.Die Wirtschaftszeitschrift "Far Eastern Economic Review" veröffentlicht zwei- bis dreimal im Jahr das Ergebnis einer Expertenumfrage unter dem Titel: "Wo legen Sie Ihr Geld am besten an?".In der ersten Nummer des neuen Jahres lautet die Antwort drauf kurz und bündig: "Überall, nur nicht in Asien".Das ist natürlich überspitzt.Die Antwort bringt aber doch das Stimmungstief zum Ausdruck, in dem sich die Region befindet. Faktisch alle Währungen der Tigerländer sind heute massiv unterbewertet.Nach den extremen Abwertungen wird es eines Tages zu einem ebenso dramatischen Kurssprung in die Gegenrichtung kommen.Manche Experten empfehlen daher, derzeit einfach einmal ein Sparkonto in Kuala Lumpur, Jakarta oder Bangkok zu eröffnen, zumal ja auch die Zinsen hoch sind.Der Pferdefuß liegt in der Frage nach dem optimalen Timing.Bis zur Wende wird es voraussichtlich noch längere Zeit dauern.

KARL KRÄNZLE

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