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Wirtschaft: Es wird eng

Deutsche Männer setzen bei Unterwäsche auf Feinripp, Frauen lieben die Abwechslung – die neuen Kollektionen fordern zu modischen Experimenten heraus

Die Männerwelt teilt sich in zwei Spezies: die Haltsuchenden und die Freiheitsliebenden. Dabei ist die erste Gruppe eindeutig in der Überzahl, Frauen fühlen sich aber mehrheitlich vom zweiten Typ angezogen. Was sich wie eine Dreiecksgeschichte anhört, ist in Wirklichkeit das Ergebnis der Unterhosen-Hitliste 2002: Männer tragen gerne Slips, obwohl Frauen sie lieber in Shorts sehen würden.

Seit Jahren untersucht die Zeitschrift „Textilwirtschaft“ die Unterhosen-Tragegewohnheiten deutscher Männer. Die unterschiedlichen Prototypen haben inzwischen sogar schon Namen, sie heißen „Walter“, „Karl-Heinz“, „Niklas“ oder „Sven“. An der Rangfolge ihrer Beliebtheit hat sich wenig geändert: 47 Prozent der Männer greifen jeden Morgen zu „Walter“, dem Taillenslip für den Mann ab 40. Weitere 41 Prozent fühlen sich in „Karl-Heinz“, der klassischen Feinripp-Unterhose, im Volksmund auch „Liebestöter“ genannt, am besten aufgehoben. Die Damenwelt bevorzugt laut der Studie aber „Niklas“, die eng anliegende Boxershort mit angeschnittenem Bein oder „Sven“, den knappen Tanga. Das Tragische: Die Chancen, auf „Niklas“ oder „Sven“ zu treffen, sind vergleichsweise gering. Und die Austauschquote im Wäscheschrank von Otto Normalwechsler mit seinen durchschnittlich 18 Unterhosen ist niedrig: 100 Millionen Unterhosen gehen in Deutschland pro Jahr über den Verkaufstresen, das sind nicht einmal drei pro Nase.

Hosenbund auf Halbmast

Den Modemuffeln zum Trotz ist die Unterhose gerade für jüngere Männer längst zum Lifestyle-Produkt geworden. „Es gibt einen starken Trend hin zu modischer Herrenwäsche“, sagt Walter Holthaus, Geschäftsführer im Gesamtverband der Deutschen Maschenindustrie. Die Männer seien modebewusster geworden, bestätigt Susanne Paul, Sprecherin des Wäscheherstellers Mey. „Alles, was in der Welt der Unterhosen Rang und Namen hat, geht sehr gut“, sagt Holthaus. Von diesem Kaufverhalten profitierten starke Marken wie Bruno Banani, Otto Kern oder Calvin Klein. „Das geht soweit, dass man das Gummiband mit dem Unterwäsche-Logo über dem Hosenbund sehen muss.“

Das Chemnitzer Unternehmen Bruno Banani lässt schon einmal die deutsche Fallschirmspringer-Nationalmannschaft in Höschen der eigenen Marke vom Himmel springen, um diesen das Label „airtested“ anzuheften. Auch Snowboarder und Kickboxer werben für Banani. Die Frühjahrskollektion 2003 der Trendmarke setzt auf bunte Drucke: Graffitis und Peace-Zeichen sorgen für ein günstiges Klima zwischen den Geschlechtern, Schriftzüge wie „Make love not war“ und „Follow me“ helfen auch Begriffstutzigen auf die Sprünge (Serie „Love“, 21,95 bis 24,95 Euro). Die Serie „World“ (20,95 bis 26,95 Euro) soll mit Landkarten und Flaggen Weltenbummler ansprechen, Fernost-Fans können ihr Reich der Mitte in der Optik „Dragon“ (20,95 bis 27,95 Euro) präsentieren.

Lycra, Feinripp und Mako-Baumwolle

Auch die Firma „Schiesser“, mit ihren weißen Sportslips aus Feinripp (7,95 Euro) oder aus Doppelripp (12,95 Euro) der Volkswagen bei den Unterhosen, hat viele Neuerungen im Angebot. Shorts im „Used-Look“ (21,95 Euro) propagieren nicht etwa das Recycling benutzter Unterhosen – die Optik erinnert an abgetragene Jeans. Schiesser wirbt auch damit, den „flachsten Slip der Welt“ konstruiert zu haben. Der „Skin-Slip“ (15,50 Euro) wiegt gerade einmal 15 Gramm, so viel wie drei DIN-A4-Blätter.

Bei den Materialien geht der Trend zu Kunstfasern, teilweise gemischt mit Baumwolle. Meryl, Lycra, Elasthan und Micro-Modal sind häufig verwendete Fasern. „Die Microfasern haben den Vorteil, dass sie sehr dehnbar sind und sich gut an den Körper anpassen“, sagt Holthaus. Kunstfasern geben Feuchtigkeit besser ab als Baumwolle – ein Vorteil bei verschwitzter Unterwäsche. Eine weitere Neuigkeit in Sachen Tragekomfort: Die Bündchen moderner Unterhosen sind kaum spürbar und hinterlassen keine Abdrücke mehr auf der Haut. Für erhöhten Komfort hat die Wäscheindustrie kürzlich das neue Gütesiegel „medizinisch getestete Textilien“ eingeführt. Es soll den älteren Ökotex-Standard ergänzen und sicherstellen, dass an neuer Wäsche garantiert keine Farbrückstände und Chemikalienspuren aus der Produktion haften. Solche Spuren können die Haut reizen.

Wem soviel Qualität aus deutschen Landen nicht genügt, wird bei der Firma Zimmerli in Aarburg fündig. Die Schweizer produzieren nach eigenem Dafürhalten der „Welt feinste Unterwäsche“. Der verstorbene König von Jordanien lenkte eigenhändig seinen Privatjet nach Zürich, um bei Zimmerli für stolze 100 000 Franken Unterwäsche einzukaufen. Zimmerli lässt nur hochwertige langstaplige ägyptische Mako- Baumwolle verarbeiten. Auch beim Design setzt das Unternehmen auf Altbewährtes: Große Unterhosen mit Eingriff (44 Euro) und klassische Slips (39 Euro) gehen zurzeit am besten.

Bei der Produktlinie Body Art der Firma Maute (29 bis 59 Euro) sorgt ein verstärktes Körbchen für den schönen Schein. Der Wonder-Slip für Männer rückt empfindliche Körperteile in ein vorteilhaftes Licht: „Ein Suspensorium hat nicht nur eine Stützfunktion sondern wirkt auch optisch“, sagt Maute-Geschäftsführer Wolfgang Grünwald.

Berliner können ihren Lokalpatriotismus mit der Wäscheauswahl bekunden: Die BVG verkauft Unterhosen mit aufgedruckten Berliner U- und S-Bahn-Stationen. Für Herren gibt es die Modelle „Krumme Lanke“ für 12,20 Euro oder „Onkel Toms Hütte“ (12,70 Euro). Wer den Inhalt seiner Unterhose vor unerwünschter Spionage schützen will, wird im Mitarbeiter-Shop des Bundesnachrichtendienstes in Pullach fündig: Die Aufdrucke „Verschlusssache“ und „Nur für den Dienstgebrauch“ (jeweils 10,20 Euro) sorgen für höchste Geheimhaltung.

Jan Friedmann

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