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Schulden: Maastricht ade

Eigentlich erlauben die sogenannten Maastricht-Kriterien Euro-Mitgliedsländern nur eine jährliche Neuverschuldung von bis zu drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Schon dieses Jahr könnte Deutschland mit der Einhaltung Schwierigkeiten bekommen.

Die milliardenschweren Konjunkturpakete der Bundesregierung könnten dazu führen, dass Deutschland die Verschuldungsgrenze des EU-Stabilitätspaktes schon in diesem Jahr reißt. Nach Berechnungen der Union wird die Neuverschuldung 2009 bei 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, im kommenden Jahr sogar bei 4,5 Prozent. Viele Ökonomen finden das nicht einmal schlimm. „Wir haben eine außergewöhnliche Situation, darum sollten die Maastricht-Kriterien flexibel gehandhabt werden“, sagte Christian Dreger vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Eigentlich erlauben die sogenannten Maastricht-Kriterien Euro-Mitgliedsländern nur eine jährliche Neuverschuldung von bis zu drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Bei einem Verstoß drohen ein Defizitverfahren und schlimmstenfalls Strafzahlungen. Doch während die Stabilitätsregel bei neuen Beitrittsländern streng ausgelegt werden, ist die Toleranz gegenüber Senior-Mitgliedern groß. Deutschland hat die Maastricht-Latte bereits vier Mal gerissen, von 2002 bis 2005. Das von der EU eingeleitete Defizitverfahren wurde aber eingestellt.

Angesichts der Dimension der Krise halten Ökonomen einen weiteren Verstoß für hinnehmbar. Dies sei eine „historische Situation“, sagte Ulrich Kater von der Dekabank. Auch die Maastrichter Regeln sähen Ausnahmen vor, etwa für den Fall von Naturkatastrophen. „Was jetzt passiert, kann man mit einer Katastrophe vergleichen, vielleicht ist es sogar noch schlimmer“, meinte Kater. Es gehe jetzt weniger darum, „die Konjunktur zu glätten“, sondern um die Abwendung größerer Schäden. Nach Einschätzung des Bankökonomen braucht Deutschland zehn bis 15 Jahre, um sich zu erholen.

Für Harald Hagemann von der Uni Hohenheim sind es vor allem die niedrigen Steuereinnahmen, die zur Überschreitung der Schuldengrenze führen. „Wenn in der Krise nun die drei Prozent exekutiert würden, verschärft das womöglich die Krise und die Steuereinnahmen sinken weiter“, sagte er. Eine höhere Verschuldung sei notwendig, angemessen und vom Grundgesetz gedeckt, sofern zusätzlich investiert werde.

Vielleicht werde es dazu vorerst noch nicht kommen, meint Michael Hüther, Direktor des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft. „Es spricht einiges dafür, dass wir in diesem Jahr die Maastricht-Kriterien noch einhalten können.“ Größere Defizite würden sich erst 2010 zeigen. „Ich gehe davon aus, dass wir im nächsten Jahr knapp an der Drei-Prozent-Grenze entlangschrammen.“

Helfen könnte 2008 auch die Bundesbank. Erstmals seit Jahren steht dem Bundeshaushalt der Milliardengewinn der Bank fast vollständig zur Verfügung. Wie das „Handelsblatt“ berichtet, muss dank des fast abgeschlossenen Abbaus der DDR-Restschulden nur noch ein kleiner Teil des Gewinns an den Erblastentilgungsfonds überwiesen werden.alf/pet

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