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Wirtschaft: Schluss mit Schule

Lehrer ist ein Beruf auf Lebenszeit. Das muss aber nicht so sein, denn nicht alle sind für den Beruf geeignet. Wo man Entscheidungshilfe findet – und was Menschen raten, die ausgestiegen sind.

Vor acht Jahren hatte Monika Bohn ihren letzten Schultag. In der Zeit davor fühlte sie sich wie auf einer „emotionalen Achterbahnfahrt“. „Aber hinterher war ich sehr erleichtert“, erzählt sie am Telefon. Dabei hat Bohn immer gerne unterrichtet, fast 20 Jahre lang, Deutsch und Sozialkunde. Doch sie vermisste etwas: Gestaltungsspielraum. „Ich wollte die Form von Pädagogik leben, die mir wichtig war, eine Pädagogik der Beziehung und Ermutigung.“ Und auch neue Ergebnisse aus der Hirn-, Entwicklungs- oder Bindungsforschung in die Schule hineinbringen. Aber das sei „nicht gewünscht“ gewesen.

Monika Bohns Erfahrungsbericht ist gemeinsam mit sieben anderen im Buch „Lebenslang Lehrer. Alternativen zum Lehrerberuf“ erschienen. Geschrieben hat es Thomas Unruh, Hauptseminarleiter am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Hamburg. Die Ausstiegsgeschichten sind ganz unterschiedliche Beispiele für einen Abschied vom Schuldienst. Einige, die dort erzählen, sind freiwillig gegangen, andere mussten sich beruflich umorientieren. Darüber hinaus beschreibt Unruh berufliche Alternativen und verweist auf einen Ausstieg auf Zeit, etwa in Form eines Sabbatjahres. Dazu stellt er Tests zum „Self-Assessment“ vor. So ist das Buch durchaus auch für künftige Referendare interessant.

Zu den vorgestellten Testmöglichkeiten gehört auch ein Fragebogen aus der Potsdamer Lehrerstudie: Er benennt ganz unterschiedliche, oft auch unerwartete Eigenschaften, die im Schuldienst notwendig sind: Dazu gehören Sicherheit im öffentlichen Auftreten, Durchsetzungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Humor, Neugierde und natürlich die Freude am Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Aber auch ein „dickes Fell“, Stabilität bei emotionalen Belastungen, die Fähigkeit, sich zu entspannen und zur „offensiven Verarbeitung von Misserfolgen“. „Lehrer müssen Kontakt zu anderen Menschen aufbauen können“, sagt Thomas Unruh, der selbst Referendare ausbildet.

Er sieht in der Frage, ob man Lehrer werden und bleiben sollte oder nicht auch die Vorgesetzten in der Pflicht. Wenn er einen Referendar „bei allem Wohlwollen“ für „ungeeignet“ halte, suche er das Gespräch. Ebenso müsse ein Vorgesetzter Kollegen ansprechen, bei denen er Zweifel oder Schwierigkeiten erkennt. „Manchmal ist es wichtig, Klartext zu reden.“

Denn der Lehrerberuf bietet zwar einerseits Sicherheit und gute Perspektiven – allein in Berlin sollen nach Angaben der Senatsbildungsverwaltung bis 2020 jedes Jahr mehr als 1000 neue Kollegen eingestellt werden. Doch die Tätigkeit geht vielen Pädagogen an die Gesundheit.

Das zeigt unter vielen anderen auch eine Studie der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) aus dem Jahr 2011: Fast jeder fünfte Befragte gab an, dass seine Kraft und Gesundheit nicht ausreichend seien, um den Beruf bis zur gesetzlichen Pensionsgrenze auszuüben. Weitere 44 Prozent waren sich „nicht sicher“, ob sie solange durchhalten würden. Zu den größten Belastungsfaktoren gehörten Zeitdruck, fehlende Erholungspausen und große Leistungsunterschiede bei den Schülern.

Dass dieser Job eigentlich nichts für ihn ist, merkte Moritz Kaefer schon während seines Referendariats zum Berufsschullehrer. In seinem Erfahrungsbericht bringt er die Situation auf den Punkt: „Ich bin einfach mit dieser Altersgruppe nicht so richtig gut zurechtgekommen.“ Die 16-, 17-Jährigen hätte ihn „völlig fertiggemacht“. Durch das Referendariat sei er „irgendwie durchgekommen“. Vor den Ausbildern versteckte er die Probleme, um zu zeigen, „dass man das irgendwie hinkriegt“. Nach dem Ende des Referendariats erfährt er die schlechte Nachricht, die für ihn eigentlich eine gute ist: Es gibt keine Stellen für Berufsschullehrer. Kaefer ist erleichtert, weil ihm das die Entscheidung abnimmt. Er nutzte seine Kontakte und arbeitete bald als Fort- und Weiterbildungsberater für eine Zigarettenfabrik. Heute kümmert er sich in Hamburg um das Office-Management einer Unternehmensberatung. Existenzängste habe er nie gehabt.

Das geht vielen Lehrerkollegen anders. Auch für Thomas Unruh ist das „ein wichtiger Punkt“, der gerade die Zögerlichen davon abhalte, sich zu entscheiden. Denn neben dem Ausstieg aus einem gesicherten Beamten- oder Angestelltenverhältnis steht die Frage, was man denn noch so kann. Das ist verständlich, schließlich sind viele Pädagogen nach der Schulzeit gleich studieren gegangen, und danach direkt in die Schule zurückgekehrt.

Dabei kann Unruh einige Beispiele für Alternativen aufzählen: etwa die Bereiche Erwachsenenbildung, Personalentwicklung oder Coaching. Lehrer haben schließlich Übung darin, Wissen zu vermitteln, zu portionieren, mit Menschen umzugehen und zu organisieren. In dieser Branche verdient auch Monika Bohn heute ihr Geld. Neben ihrer Lehrtätigkeit stieg die Hessin nach einem Zusatzstudium auch in die Beratung ein. Sie merkte, dass ihre Leistung ankam. Trotzdem sorgte auch sie sich um die finanzielle Sicherheit. Die Entscheidung, die Lehrerlaufbahn zu beenden, traf sie in Absprache mit ihrem Mann. „Ich muss der Ehrlichkeit halber auch sagen, dass ich den Schritt wagen konnte, weil ich finanziell abgesichert bin.“

Menschen, die aus dem Lehrerberuf aussteigen wollen, rät sie zur Diskretion. „Ein Lehrerzimmer hat viele Ohren.“ Sie selbst tauschte sich mit wenigen Vertrauten aus. Auf ihren Weggang wurde unterschiedlich reagiert – mit Betroffenheit oder Verständnis, aber auch Neid.

Thomas Unruh will seinen Kollegen und angehenden Lehrern Mut machen, ehrlich über ihre Situation nachzudenken. „Denn Kollegen und Schüler spüren es, wenn man unzufrieden ist.“ Unruh rät zur „schonungslosen“ Selbstanalyse, und dazu, mit Vertrauten und für sich selbst zu reflektieren, wie sehr man tatsächlich „raus aus der Schule“ möchte. Und hinterher entweder klar „Ja“ zum Job als Lehrer zu sagen. Oder aber wirklich nach einer Alternative zu suchen.

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