zum Hauptinhalt

Alternativen zur Kuhmilch: Was Pflanzendrinks so nachhaltig macht

Milchalternativen aus Mandeln, Soja, Reis und Hafer füllen die Supermarktregale. Die Gründe sind vielfältig. Tierwohl und Klimaschutz gehören dazu.

Sojadrinks schmecken nach Bohne, die Pendants aus Hafer oder Dinkel haben eine getreidige Note. Und auch der Mandeldrink kann seine Herkunft nicht verschleiern. An echte Kuhmilch erinnern diese Ersatzprodukte nur wegen ihrer Farbe und der Verpackung.

Trotzdem - oder womöglich gerade deshalb - werden sie in Deutschland immer beliebter. Und zwar nicht nur in hippen Cafés im Prenzlauer Berg, sondern auch beim Discounter.

Nach Angaben des Marktforschungsinstituts Nielsen ist der Absatz von Milchalternativen 2019 um beindruckende 25 Prozent gestiegen.

Bereits in den Vorjahren war der Markt zweistellig gewachsen. Supermärkte und Bioläden bestätigen die Entwicklung auf Anfrage.

Die bekanntesten Marken sind Alpro, Alnatura und Oatly. Gleichzeitig trinken die Deutschen im Durschnitt immer weniger der Kuhmilch: Lag der Pro-Kopf-Konsum Mitte der 90er noch bei über 60 Kilogramm, könnte er im vergangenen Jahr erstmals unter 50 Kilogramm gesunken sein – das wäre ein historisches Tief.

Pflanzendrinks: Ein wachsender Nischenmarkt

Die Verhältnisse sind jedoch nach wie vor eindeutig: 177 Millionen Litern Pflanzenmilch stehen 3,3 Milliarden Liter verkaufter Kuhmilch gegenüber.

Am Gesamtmarkt haben die pflanzlichen Alternativen also nur einen Anteil von etwa fünf Prozent. Das heißt: Die Pflanzendrinks sind ein Nischenprodukt – doch die Nische wächst und sie erreicht schon jetzt viel mehr Menschen als lediglich diejenigen, die unter Laktoseintoleranz leiden.

Eine Gruppe österreichischer Wissenschaftler erforschte im vergangenen Jahr, warum Menschen zu Milchalternativen greifen. Auch wenn die Stichprobe mit 30 Teilnehmern recht klein war, unterstreichen die Ergebnisse die allgemeine Wahrnehmung: Konsumenten von Milchersatzprodukten wollen die Kühe und den Planeten schützen. Doch können die Getränke auf Pflanzenbasis diesen Wunsch wirklich erfüllen?

In Puncto Tierwohl ist die Sache recht eindeutig. Für die Produktion von Soja-, Hafer- oder Mandeldrinks braucht man keine Kühe, die 7000 Liter Milch im Jahr geben. Die Ersatzprodukte entstehen in Fabriken. Dazu wird beispielsweise Hafer mit Wasser vermengt und gemahlen. Anschließend durchläuft die Masse einen Gärungsprozess. Wenn sich das wässrige Extrakt danach mit Pflanzenöl vermischt, bekommt der Haferdrink seine weiße Farbe und die milchähnliche Konsistenz.

Kuhmilch hat den größten CO2-Fußabdruck

Doch wie steht es um die Nachhaltigkeit der Milchalternativen? Um das herauszufinden, haben Forscher der Universität Oxford Kuhmilch mit den vier beliebtesten Ersatzprodukten aus Reis, Soja, Hafer und Mandeln verglichen. Sie haben dafür die Daten von knapp 40 000 Bauernhöfen weltweit ausgewertet. Das Ergebnis ist eindeutig. Sowohl beim CO2-Ausstoß, als auch bei Land- und Wasserverbrauch belegt die Kuhmilch den letzten Platz. Ein Beispiel: Durch einen Liter Kuhmilch entstehen demnach 3,2 Kilogramm CO2. Bei einem Liter Mandelmilch sind es weniger als ein Viertel dessen. Auch die anderen Ersatzprodukte lassen sich der Studie zufolge sehr viel klimaschonender herstellen als Kuhmilch. Schwedische Forscher kamen zu einem ähnlichen Ergebnis.

Kühe sorgen durch ihren hohen Ausstoß von Methangasen für die schlechte Ökobilanz der Milch.

© picture alliance / Jan Woitas/dp

Uneinigkeit herrscht allerdings beim Wasserverbrauch. Die Forscher aus Oxford veranschlagen den Bedarf für Sojamilch bei 28 Litern. Den Berechnungen des kürzlich verstorbenen Wissenschaftlers Arjen Hoekstra zufolge verschlingt ein Liter Sojamilch allerdings 297 Liter Wasser. Hoekstra war Professor am Water Center der Universität Twente und erforschte dort den Wasserverbrauch von Lebensmitteln. Seinen Erhebungen nach schneidet die Mandelmilch mit über 800 Litern am schlechtesten ab. Der Grund: Allein um eine Mandel zu züchten, braucht es 4,5 Liter Wasser. Ein weiteres Problem liegt darin, dass 80 Prozent der weltweiten Anbauflächen in Kalifornien liegen. Dort ist das Wasser ohnehin schon knapp.

Das Soja kommt aus Kanada und Europa

Eindeutiger ist die Situation beim Landverbrauch. Der Bedarf für einen Liter Kuhmilch sei neun Mal größer, als jener für die vier Ersatzprodukte, heißt es in der britischen Studie. Soja steht trotzdem häufig in der Kritik. In Brasilien muss der Regenwald großen Anbauflächen weichen. Allerdings wird das aus Südamerika importierte Soja fast ausschließlich zu Tiernahrung weiterverarbeitet. Alle führenden Hersteller von Sojamilch beziehen ihren Grundstoff mittlerweile aus Kanada oder Europa.

Björn Börgermann vom Milchindustrie-Verband gibt zu bedenken, dass die Grünflächen, die Landwirte heutzutage für die Produktion von Kuhfutter verwenden, oft nicht anders genutzt werden könnten. „Die Böden geben den Anbau von anderen Kulturen einfach nicht her“, sagt er.

Ein echter Shootingstar auf dem Markt für Milchalternativen ist Oatly. Das schwedische Unternehmen verkauft seine Haferdrinks schon seit 1994. Große Bekanntheit in Deutschland erlangte die Firma aber erst durch die Barista Edition. Diese Variante passt perfekt zum Kaffee, da sich der Haferdrink wie echte Milch aufschäumen lässt. Auf dem deutschen Markt konnte Oatly seine Umsätze zuletzt vervierfachen. Das Unternehmen ist für sein provokantes Marketing bekannt. Die offene Konfrontation mit der Milchbranche scheut der Haferdrinkhersteller nicht. In einer deutschlandweiten Plakatkampagne warb Oatly mit dem Spruch „Wie Milch, nur für Menschen gemacht“ und der Geschäftsführer Toni Petersson wird nicht müde zu betonen, wie unnatürlich es sei, dass der Mensch Kuhmilch trinkt. Er sieht in ihrem Konsum gar einen Grund für das starke Aufkommen von Osteoporose in Skandinavien.

„Freispruch für die Milch“

Mit der Behauptung das Milch gar nicht so gesund sei, wie immer berichtet wird, ist Toni Petersson nicht allein. Selbst der Medizinnobelpreisträger Harald zu Hausen stellte zuletzt die Vermutung auf das bestimmte Stoffe in der Milch womöglich krebsfördernd seien. Solchen Aussagen stellt sich Bernhard Watzl seit Jahren entgegen. Der Direktor des Max-Rubner-Instituts für gesunde Ernährung veröffentlichte 2015 eine Publikation mit dem Namen „Freispruch für die Milch“. Demnach gebe es keine wissenschaftlichen Studien, die die angebliche Gesundheitsgefährdung durch Milch belegen. Kuhmilch sei gut für den Menschen, weil sie viele Proteine, B-Vitamine und Kalzium enthalten.

Pflanzendrinks dagegen sind im Naturzustand eher nährstoffarm. Deshalb geben die Hersteller sie künstlich hinzu. Die beste Milchalternative für Erwachsene besteht aus Soja. Der Drink liefert alle Proteine, die der Mensch braucht und ist darüber hinaus noch reich an ungesättigten Fettsäuren. Allerdings bewertete die Stiftung Warentest 2018 gleich fünf der 15 getesteten Sojadrinks mit der Note mangelhaft. Zu hohe Nickel- oder Chloratgehalte seien entdeckt worden. Säuglinge und Kinder sollten indes auf Sojadrinks verzichten, da die enthaltenen Isoflavone schädlich für sie sein könnten. Wer sein Kalorienkonsum reduzieren möchte, greift am besten zum Mandeldrink. Haferdrinks enthalten genauso viel Kalzium wie Kuhmilch. Laktosefrei sind naturgemäß alle Milchalternativen.

Die Milchindustrie ist beunruhigt

Beim Milchindustrie-Verband verfolgt man die positive Marktentwicklung für Pflanzendrinks mit Interesse und Sorge zugleich. „Wir merken natürlich, dass sich das auf unseren Absatz auswirkt“, sagte der Vorsitzende Peter Stahl bei einem Pressegespräch im Rahmen der Grünen Woche. Man verfolge die technologische Entwicklung genau. Theoretisch hätten die Molkereien die Voraussetzungen auch eigene Pflanzendrinks auf den Markt zu bringen.

Früher hatte sich die Branche noch stärker gegen die Konkurrenz aufgelehnt: Seit 1987 dürfen die Ersatzprodukte innerhalb der EU nicht mehr als Milch vermarktet werden. In Artikel 2 der entsprechenden Verordnung heißt es, dass die „Bezeichnung Milch ausschließlich dem durch ein- oder mehrmaliges Melken gewonnen Erzeugnis der normalen Eutersekretion (…) vorbehalten“ ist. Dem Erfolg der pflanzlichen Alternativen scheint das jedoch nicht mehr zu schaden.

Jonas Schulze Pals

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false