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TURNERS Thesen: Wer Landarzt werden will, sollte von den Unis bevorzugt werden

In ländlichen Regionen droht wegen des Ärztemangels eine eklatante Unterversorgung – im Gegensatz zu Ballungsgebieten, wo oft eine Überversorgung festzustellen ist. Es sei für junge Ärzte nicht attraktiv, jeden zweiten Tag Notdienst machen zu müssen, sich einen Großteil der Zeit mit Bürokratie zu beschäftigen, und dann auch noch schlecht zu verdienen, heißt es.

In ländlichen Regionen droht wegen des Ärztemangels eine eklatante Unterversorgung – im Gegensatz zu Ballungsgebieten, wo oft eine Überversorgung festzustellen ist. Es sei für junge Ärzte nicht attraktiv, jeden zweiten Tag Notdienst machen zu müssen, sich einen Großteil der Zeit mit Bürokratie zu beschäftigen, und dann auch noch schlecht zu verdienen, heißt es. Als Gegenmaßnahme wird unter anderem versucht, Mediziner aus Österreich anzuwerben, um vakante Stellen zu besetzen. Die meisten jungen Mediziner wollen in Kliniken arbeiten. Dies beseitigt nicht den Mangel an niedergelassenen Ärzten.

Die Ursachen der Misere sind über Jahrzehnte gelegt worden. Es war die Überbetonung der Abiturnote für die Zulassung zum Medizinstudium. Erreichte jemand einen guten Notendurchschnitt, wurde den Betroffenen bewusst, dass sie „sogar Medizin studieren“ könnten. Gute Abiturnoten sind gewiss kein Nachteil für den Studienerfolg, ob sie aber auch über die Eignung im Beruf etwas aussagen, steht auf einem anderen Blatt.

Vernachlässigt bei der Auswahl der Studierenden wurde die Affinität zum Beruf. Bei Kindern von Landärzten hätte sie am leichtesten überprüft werden können: Wer miterlebt hat, dass Mediziner auf dem Land – auch noch zu der Zeit, als der Numerus clausus eingeführt war – weder einen Wochenenddienst kannten noch ein geordnetes Nacht- und Notdienstsystem existierte, wusste was es heißt, Landarzt zu sein. Sobald der Führerschein erworben war, leisteten Arztkinder, nicht selten auch bei nächtlichem Einsatz, Chauffeurdienste. Den Schulnoten bekam das in der Regel nicht besonders gut.

Wer bei Kenntnis der Lebens- und Arbeitsumstände diesen Beruf anstrebt, dürfte über die notwendige Motivation verfügen. Nun wird nicht jeder Abkömmling eines Landarztes in die Fußstapfen eines Elternteils treten wollen – auch wenn dies vielleicht bei der Bewerbung um einen Studienplatz für Medizin behauptet wird. Die Aussicht jedenfalls, aus diesem Kreis Kandidaten zu gewinnen, ist vermutlich ungleich größer als Städter mit finanziellen Anreizen „in die Pampa“ zu locken.

Aber es müssen ja gar nicht Kinder von Landärzten bevorzugt werden. Ist es nicht eine Überlegung wert, beim Zulassungsverfahren denjenigen Bonuspunkte zu gewähren, die sich verpflichten, wenigstens eine Reihe von Jahren beispielsweise in Gemeinden unterhalb einer bestimmten Einwohnerzahl tätig zu sein? Dann haben Landarztkinder, aber auch andere eine erhöhte Chance auf einen Studienplatz – und ländliche Gegenden eine auf bessere Versorgung.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schicken: g.turner@tagesspiegel.de

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