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Amazonen unter sich: Zwei Exemplare des Amazonen-Kärpflings (Poecilia formosa).

© Manfred Schartl

Wildwechsel: Individuelle Amazonen

Amazonen-Kärpflinge sind natürliche Klone. Alle Tiere sind genetische Kopien ihrer Mutter und doch unterscheiden sich die Individuen in ihrem Verhalten.

Eine Kolumne von Patrick Eickemeier

Amazonen waren der Sage nach kriegerisch, männermordend und weiblich. Ähnliches gilt für Amazonen-Kärpflinge. Die Fische sind völlig unkriegerisch, aber sie sind ausnahmslos Weibchen, die Männchen zwar nicht umbringen, sie aber regelmäßig um ihren Fortpflanzungserfolg bringen. Und daher sind sie interessante Objekte für die Zwillingsforschung. Aber eins nach dem anderen.

Die Spezies Poecilia formosa ist im unteren Rio Grande in den USA und im Tuxpan-Fluss im Nordosten Mexikos heimisch. Sie hat sich nicht neben anderen Kärpfling-Arten in vielen kleinen Schritten der Evolution aus einer gemeinsamen Vorfahren-Art entwickelt, sondern aus zweien und das in einem Schritt.

Amazonen-Kärpflinge sind vor etwa 100.000 Jahren entstanden, als ein weiblicher Atlantikkärpfling (Poecilia mexicana) mit einem männlichen Breitflossenkärpfling (Poecilia latipinna) evolutionär fremdging. Es erscheint als Skandal, Fachleute sprechen aber sachlicher von einem Hybridisierungsereignis.

Hybride zweier Arten haben üblicherweise keine fruchtbaren Nachkommen. Daher können eng verwandte Arten trotz gelegentlicher artübergreifender Paarungen im gleichen Lebensraum vorkommen und eine jede regelt die Fortpflanzung im Wesentlichen für sich. Amazonen-Kärpflinge tun das nicht.

Ihre Eier benötigen Spermien von eng verwandten Kärpflingen, um sich zu entwickeln. Von den Spermien wird aber zumeist gar nichts in die Eier aufgenommen. Die Tiere entwickeln sich aus unbefruchteten Eiern und gleichen daher genetisch ihrer Mutter. Zwar gibt es regelmäßig Mutationen, aber die Nachkommen eines Amazonen-Kärpflings gleichen sich noch mehr als ein befruchtetes Ei dem anderen. Sie sind natürliche Klone.

Dennoch zeigen sie Verhaltensunterschiede, selbst wenn sie unter gleichen Bedingungen aufgezogen werden, berichteten Forschende vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in „Nature Communications“. Bereits am ersten Lebenstag sind individuelle Charaktereigenschaften erkennbar, die das Verhalten der Tiere bis ins Erwachsenenalter prägen.

Individualität kann demnach auch ohne genetische und umweltbedingte Unterschiede entstehen. Die Forschenden vermuten, dass sie stark von Entwicklungsbedingungen vor der Geburt abhängt, etwa, wo im Bauch der Mutter die Eier reiften. Auch darin unterscheiden sich Amazonen-Kärpflinge von den meisten anderen Fischen. Sie sind lebendgebährend – die Weibchen tragen die Eier im Bauch bis die kleinen Klone schlüpfen.

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