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Diversity-Tag mit Workshops bei Siemens: Auszubildende und Studierende kochen gemeinsam.

© Kai-Uwe Heinrich

Workshops zur Sensibilisierung: Warum sich Diversität im Unternehmen auszahlt

Egal, ob alt, jung oder mit Migrationshintergrund: Siemens will in Berlin ein Arbeitsumfeld schaffen, das frei von Vorurteilen ist.

Der Schlüsselbund liegt direkt vor seinen Füßen. Doch nur mit viel Mühe gelingt es Ali, sich zu bücken, um ihn aufzuheben. Der junge Mann ist in eine Art Rüstung geschnallt, die seine Bewegungsfähigkeit einschränkt. Eine spezielle Brille erschwert seine Koordination zusätzlich, sorgt dafür, dass er kaum etwas sieht. Ali steckt in einem "Alterssimulationsanzug".

Der soll jungen Menschen zeigen, wie es sich anfühlt, alt und gebrechlich zu sein, erklärt Lehrerin Kerstin Schmidt. „Perspektivwechsel“ nennt sie das.

Ziel und Zweck des Experiments: „Wir wollen stereotypen Denkweisen entgegenwirken“, sagt Kerstin Schmidt, die diesen und andere „Sensibilisierungs-Workshops“ an der Bildungseinrichtung Siemens Professional Education in Spandau organisiert hat. Damit solle das Thema Diversität im Alltag verankert werden.

Die Veranstaltungen diese Woche standen im Zeichen des „Diversity Day“, den die Arbeitgeberinitiative „Charta der Vielfalt“ alljährlich veranstaltet. Das Ziel: „Organisationen sollen ein Arbeitsumfeld schaffen, das frei von Vorurteilen ist“.

"Wertschätzung" lohnt sich

Alle Menschen sollen im Arbeitsalltag „Wertschätzung“ erfahren, egal wie alt sie sind, welches Geschlecht sie haben oder woher sie kommen. Siemens gehört zu einer wachsenden Zahl von Unternehmen, die darin auch einen betriebswirtschaftlichen Nutzen erkennen.

In der Siemens-Küche schwingen unterdessen Auszubildende und Studierende die Kochlöffel. Eine bunte Gruppe aus jungen Erwachsenen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen bereitet gemeinsam Gerichte aus verschiedenen Ländern zu.

Beim Kochen könne man „gut schnacken“, sagt Studentin Amina. Ihre Eltern stammen aus Bosnien, sie selbst ist in Hannover aufgewachsen. Die junge Frau empfindet es als Bereicherung, im Alltag mit verschiedenen Kulturen umzugehen. Doch diese Haltung sei nicht selbstverständlich, viele Menschen hätten Vorurteile, sagt sie, deshalb hält sie solche Workshops für wichtig.

Was gekocht wird, haben die Teilnehmer selbst bestimmt. Anthony zum Beispiel hat Egusi mit Eba vorgeschlagen, ein traditionelles Eintopfgericht aus Westafrika. Anthony kommt aus Nigeria, bei Siemens wird er zum Elektrotechniker ausgebildet. Mit einem betrieblichen Austauschprogramm gibt das Unternehmen jungen Menschen aus vielen Ländern der Welt die Möglichkeit, in Deutschland eine Ausbildung zu machen.

Unterschiedlichkeit führt zu innovativen Lösungen

Der Technikkonzern Siemens hat einen guten Grund, sich mit dem Thema Diversität auseinanderzusetzen: Der Fachkräftemangel trifft technische Berufe besonders hart. Das global agierende Unternehmen sucht deshalb rund um den Globus nach Arbeitskräften.

Eigenen Angaben zufolge beschäftigt Siemens derzeit Mitarbeiter aus insgesamt 169 Nationen. Die werden weltweit eingesetzt und arbeiten daher im Alltag oft mit Kollegen zusammen, die einen ganz anderen kulturellen Hintergrund haben. Sensibilisierung ist für Siemens deshalb nicht einfach ein Lippenbekenntnis, sondern eine Notwendigkeit.

„Wir können es uns heute gar nicht mehr leisten, das Thema Diversität zu ignorieren“, sagt Siemens-Pressesprecher Wolfram Trost. Die Mitarbeiter müssten die Menschen in anderen Ländern verstehen – und auch die dortigen Märkte. Die Zusammenarbeit in divers zusammengesetzten Teams habe außerdem greifbare Vorteile, sagt Trost. Wenn unterschiedliche Menschen an einem Strang zögen, fänden sie innovativere Lösungen.

Das gälte auch für die Zusammenarbeit zwischen Generationen. „Die Jungen können von den Älteren lernen“, sagt Trost „aber auch die Älteren von den Jungen“. Zum Beispiel im Bereich digitaler Technologien. Leider gäbe es immer noch zu wenig Frauen in technischen Berufen, sagt Angela Behns-Vespermann, die Regionalleiterin der Siemens-Sparte Professional Education in Berlin. Siemens liegt hier knapp über dem Durchschnitt.

Mit verschiedenen Förderungsmaßnahmen konnte die Zahl der weiblichen Ingenieure erhöht werden. Es sind aber weiterhin nur 14 Prozent. Auch bei den weiblichen Führungskräften ist Luft nach oben: Im gehobenen Management sind nur 13 Prozent Frauen tätig.

Unternehmen investieren in Diversity

Doch es hat sich bereits etwas getan in Deutschland. Bei über einem Drittel der deutschen Firmen ist Diversity heute in der Unternehmenskultur verankert. Das hat eine aktuelle Studie der Personalvermittlungsgesellschaft Page-Group ergeben.

Interne Diversity-Initiativen werden demnach von immer mehr Unternehmen als sinnvolle Investitionen angesehen.

Ein Arbeitsplatz ohne Diskriminierung ist attraktiver. Fast 70 Prozent der befragten Firmen gaben an, dass sie ihre Anziehungskraft für neue Bewerber durch mehr gelebte Diversität erhöhen konnten. Und 43 Prozent erkennen eine stärkere Bindung der bereits eingestellten Mitarbeiter. Wer sich akzeptiert und anerkannt fühlt, bleibt der Firma erhalten. Auch die Identifikation mit dem Arbeitgeber ist deutlich höher.

Ob Diversität im Unternehmen funktioniert, hängt vor allem von der Führung ab. Darin sind sich verschiedene wissenschaftliche Studien einig. Es ist vorrangig die Aufgabe des Managements, die Rahmenbedingungen zur Förderung von Vielfalt zu schaffen.

Dazu gehören nicht nur die Zusammenstellung bunter Teams und kreative Workshops. Besondere Bedeutung haben auch individuelle Förderungen, Mentoring-Programme, flexible Arbeitszeitmodelle und die Ernennung von Vertrauenspersonen.

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