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Antonio Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, bei einer Ansprache.

© picture alliance/dpa/AP

Internationale Reaktionen auf US-Entscheidung: Nato-Partner und UN lehnen Lieferung von Streumunition entschieden ab

Die USA wollen der Ukraine Streumunition liefern, die von 111 Staaten geächtet wird. Neben UN-Generalsekretär Guterres positionieren sich auch Großbritannien und Spanien gegen die Lieferung.

Die USA wollen der Ukraine im Krieg gegen Russland trotz Bedenken der westlichen Verbündeten umstrittene Streumunition liefern. Die von vielen Ländern geächtete Munition ist Teil eines neuen Rüstungspakets für die Ukraine, wie das US-Verteidigungsministerium am Freitag in Washington mitteilte.

Präsident Joe Biden sprach von einer „sehr schwierigen“ Entscheidung. Dem Sender CNN sagte er zur Begründung seiner Entscheidung, dass den ukrainischen Streitkräften „die Munition ausgegangen“ sei.

„Entweder haben sie jetzt die Waffen, um die Russen zu stoppen - sie davon abzuhalten, die ukrainische Offensive in diesen Gebieten zu stoppen - oder sie haben sie nicht. Und ich denke, sie brauchen sie“, sagte er. Dieser Meinung sind nicht alle westlichen Partner.

Wir werden nicht zulassen, dass die Ukraine zu einem Zeitpunkt dieses Konflikts wehrlos ist.

Jake Sullivan, Bidens Nationaler Sicherheitsberater

UN-Generalsekretär Guterres kritisiert Einsatz von Streumunition

UN-Generalsekretär António Guterres hat die Entscheidung der USA kritisiert, der Ukraine im Krieg gegen Russland Streumunition zu liefern.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres auf einer Pressekonferenz im UN-Hauptquartier.

© picture alliance/dpa/XinHua

Guterres wolle nicht, „dass weiterhin Streumunition auf dem Schlachtfeld eingesetzt wird“, erklärte ein Sprecher Guterres am Freitag kurz nach Bekanntgabe der Entscheidung durch die US-Regierung.

Russland verurteilt Lieferung von Streumunition an die Ukraine

Das russische Außenministerium hat die USA scharf für die Lieferung von Streumunition an die Ukraine kritisiert.

Außenamtssprecherin Maria Sacharowa bei einer Pressekonferenz 2015 in Moskau.

© picture alliance / dpa

Dies sei eine weitere „eklatante Offenbarung des aggressiven antirussischen Kurses der USA, der auf die maximale Verlängerung des Konflikts in der Ukraine und einen Krieg bis zum „letzten Ukrainer“ zielt“, heißt es in einem am Samstag verbreiteten Kommentar der Außenamtssprecherin Maria Sacharowa.

Durch die Streumunition würden noch mehr Zivilisten getötet. Die Lieferung sei ein Zeichen der Verzweiflung angesichts des „Scheiterns der breit beworbenen ukrainischen Offensive“, heißt es. Das Versprechen der Kiewer Führung, die Munition nur gegen militärische Ziele anzuwenden, bezeichnete Sacharowa als wertlos.

Russischer Botschafter der USA kritisiert „Zynismus“

Auch der russische Botschafter in den Vereinigten Staaten, Anatoli Antonow, kritisierte die angekündigte Lieferung von Streumunition der USA an die Ukraine und bezeichnete diesen Schritt als weitere Eskalation im Krieg.

Der russische Botschafter in den Vereinigten Staaten, Anatoli Antonow.

© imago images/ITAR-TASS

„Washington erhöht seinen Einsatz in dem Konflikt weiter“, sagte Antonow nach Angaben des Außenministeriums in Moskau in der Nacht zum Samstag. Auch ohne die Streumunition seien die USA tief verstrickt in den Konflikt und brächten „die Menschheit näher an einem neuen Weltkrieg“.

„Es ist schon bemerkenswert mit welcher Grausamkeit und welchem Zynismus Washington an die Frage der Lieferung von tödlichen Waffen an Kiew herangegangen ist“, zitiert die russische Nachrichtenagentur Tass den Botschafter.

Grünen-Politiker Hofreiter: „Streumunition ist zu Recht geächtet“

Grünen-Politiker Anton Hofreiter sprach sich ebenfalls gegen die Lieferung und den Einsatz von Streumunition aus. „Die Lieferung von Streumunition lehne ich ab. Sie ist zu Recht geächtet“, sagte Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur.

Anton Hofreiter, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, spricht bei der Sitzung des Bundestags nach der Regierungserklärung zum Europäischen Rat.

© picture alliance/dpa

Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag forderte stattdessen die Lieferung deutscher Marschflugkörper an die Ukraine und eine Unterstützung der von Dänemark und den Niederlanden geführten Kampfjet-Allianz mit Logistik und Ausbildung.

Den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte Hofreiter auf, beim bevorstehenden Nato-Gipfel klare Ansagen dazu zu machen. „Es ist wichtig, dass Scholz beim Nato-Gipfel ein Zeichen mit Blick auf die Waffenlieferungen setzt - insbesondere aufgrund der schwierigen Lage an der Front“, sagte er. „Nachdem wir so lange gezögert und somit ermöglicht haben, dass die russische Armee die Front so schwer befestigt, sollten wir daraus lernen und schneller werden.“ 

Britischer Premier Sunak: Raten von Streumunition-Einsatz ab

Auch Großbritannien hält an seiner Ablehnung von Streumunition fest. Das sagte Premierminister Rishi Sunak am Samstag als Reaktion auf die Ankündigung der USA, die umstrittene Munition an die Ukraine zu liefern.

Der britische Premierminister Rishi Sunak bei einer Pressekonferenz am 17. April 2023.

© AFP/Kirsty Wigglesworth

„Das Vereinigte Königreich ist Unterzeichner einer Konvention, die Herstellung oder Nutzung von Streumunition untersagt - und wir raten von dem Einsatz ab“, sagte Sunak dem Nachrichtensender Sky News.

Großbritannien werde weiterhin seinen Teil dafür tun, um die Ukraine im Kampf gegen Russlands „illegale und grundlose Invasion“ zu unterstützen, so der konservative Politiker weiter. Das sei durch die Weitergabe von Kampfpanzern und weitreichenden Waffen an Kiew auch bereits geschehen.

Spanien: „bestimmte Waffen und Bomben auf keinen Fall liefern“

Auch der Nato-Partner Spanien hat die Lieferung von Streumunition durch die USA an die Ukraine abgelehnt.

„Spanien steht fest zu seinen Verpflichtungen, die es für die Ukraine eingegangen ist, aber auch dazu, dass bestimmte Waffen und Bomben auf keinen Fall geliefert werden dürfen“, sagte Verteidigungsministerin Margarita Robles am Samstag in Madrid, wie der staatliche TV-Sender RTVE berichtete.

Es handele sich um eine souveräne Entscheidung der USA, aber nicht der Nato, betonte die Sozialistin. Spanien sei der Auffassung, dass solche Waffen auch bei einer „legitimen Verteidigung nicht eingesetzt werden dürfen“, sagte Robles.

Selenskyj dankt Biden für das Verteidigungspaket

Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj dankte US-Präsident Biden für die geplante Militärhilfe. „Ein rechtzeitiges, umfassendes und dringend benötigtes Verteidigungshilfspaket der Vereinigten Staaten“, teilte Selenskyj am Freitagabend bei Twitter mit.

Wolodymyr Selenskyj in Kiew am 1. Juli 2023.

© action press/Planet Pix via ZUMA Press Wire /

Selenskyj lobte Washington außerdem„für entscheidende Schritte, um die Ukraine dem Sieg über den Feind und die Demokratie dem Sieg über die Diktatur näherzubringen“. Die Ukraine hatte immer wieder Streumunition gefordert, um die Stellungen russischer Besatzer effektiver zu zerstören.

Wie begründen die USA die geplante Lieferung?

Die Ukraine brauche dringend weitere Artilleriemunition, um russische Angriffe abwehren und ihre eigene Gegenoffensive fortsetzen zu können, sagte Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan vor Journalisten im Weißen Haus.

Jake Sullivan, nationaler Sicherheitsberater des Weißen Hauses, bei einem Pressebriefing.

© picture alliance/dpa/AP

Derzeit laufe die Produktion von neuer Artilleriemunition für Kiew aber nicht schnell genug. Deswegen sei Streumunition als „Brücke“ gedacht.

„Wir werden nicht zulassen, dass die Ukraine zu einem Zeitpunkt dieses Konflikts wehrlos ist“, sagte Sullivan. Die Ukraine habe schriftlich versichert, dass die Streumunition „sehr vorsichtig“ eingesetzt werde, „um jedes Risiko für Zivilisten zu minimieren“.

Warum gilt Streumunition als geächtet?

Die über dem Boden explodierenden Bomben verteilen Geschosse über größere Flächen. Weil oft viele davon nicht sofort explodieren, gelten sie wie Minen als Gefahr für Zivilisten auch in der Zeit nach einem Ende der Kampfhandlungen.

Deutschland und 110 andere Staaten haben sie deswegen mit einem internationalen Abkommen geächtet, dem die USA, die Ukraine und Russland aber nicht beigetreten sind. (dpa, AFP, Reuters, Tsp)

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