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Sie mussten sich zusammenraufen: Bauministerin Klara Geywitz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

© dpa/Kay Nietfeld

Grün gegen Gelb, Gelb gegen Rot: Was taugt Lindners Wachstumsgesetz?

Die Ampel ringt bis zur letzten Minute um ihr nächstes Steuer- und Förderpaket. Wirtschaftsforscher sehen darin richtige Signale - aber auch nur einen ersten Schritt.

Vielleicht hat Christian Lindner das Projekt etwas zu ambitioniert betitelt. Das „Wachstumschancengesetz“ hat ein Volumen von sechs Milliarden Euro – angesichts der ansonsten in der Standort- und Konjunkturdebatte aufgerufenen Summen, die gern mal im höheren zweistelligen oder gar dreistelligen Milliardenbereich liegen, mutet das Vorhaben vom Volumen her nicht ganz so chancenreich an.

An diesem Mittwoch liegt es im Kabinett und soll beschlossen werden. Die Abstimmung in der Regierung war allerdings am Dienstag noch nicht beendet. Denn es gibt Zwist in der Ampel-Koalition um den Gesetzentwurf – auch aus der Wirtschaft kommen negative Kommentare, seit der Plan Mitte Juli bekannt geworden ist. Zu wenig, nicht zielgenau, falsch sortiert – so kann man die Kritik pauschal zusammenfassen. Aber wie stichhaltig ist das?

Was Lindner vorgelegt hat, sieht aus wie ein Jahressteuergesetz – also das traditionell einmal im Jahr vorgelegte Sammelgesetz mit vielen Änderungen im Steuerrecht. Auf 279 Seiten wird es da recht kleinteilig. Da sieht nicht alles auf den ersten Blick nach Wachstumschance aus - etwa die Erhöhung der Freigrenze für den Quellensteuereinbehalt oder das Anheben der Buchführungspflicht für bestimmte Steuerpflichtige.

Was soll die Investitionsprämie?

In der Koalition konzentriert sich der Streit denn auch auf das größte Vorhaben im Paket – die Investitionsprämie. Die sollen Unternehmen bekommen, die in die Verbesserung ihrer Energie- und Ressourceneffizienzinvestieren – 15 Prozent auf die Investitionssumme, bis maximal 30 Millionen Euro.

Die Grünen pokern offenbar bis zuletzt – Fraktionschefin Katharina Dröge nannte das Volumen dieser Prämie am Dienstag unzureichend. Sie würde das Gesetz gern mit weiteren Maßnahmen wie dem Industriestrompreis verbinden. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck möchte gern konjunkturpolitische Signale setzen, die kurzfristig wirken – und der Klima-Transformation dienen.

Von Wirtschaftsverbänden wiederum wird kritisiert, der enge Zuschnitt der Prämie auf Energieeffizienz sei falsch. Lindner hat das im Blick, in einem Papier seines Ministeriums zur Einführung des Gesetzes hieß es, man wolle einen „möglichst breiten Förderansatz“ – doch müsse geprüft werden, ob das Beihilferecht der EU das zulasse.

Lindner will Steuererleichterung

Lindner setzt mehr auf eine längerfristig wirkende Wachstumspolitik. Das soll weniger durch Zuschüsse und Subventionen geschehen als durch generelle steuerliche Entlastungen für die Wirtschaft. Ein wesentlicher Punkt für den FDP-Chef war die Erweiterung des Verlustabzugs, wodurch die Mindestgewinnbesteuerung bis 2027 ausgesetzt würde. Bei den Grünen kam das nicht gut an, unter anderem, weil das über die Gewerbesteuer den Kommunen Verluste bescheren kann – von einem Minus bis zu zwei Milliarden Euro ist die Rede.  

Lars P. Feld, der frühere Wirtschaftsweise, er bei Lindner als eine Art Chefökonom fungiert, wirbt für die Maßnahme, die „wie eine Steuersatzsenkung“ wirke und damit einen Beitrag für mehr Investitionstätigkeit leiste, wie er in der „FAZ“ schrieb. Laut Feld hat es diese Regelung nicht durch die Ressortabstimmung geschafft – allerdings hieß es am Dienstag aus der Regierung auch, „alles ist noch im Fluss“.

Geywitz fordert Extra-Schluck

Lindner wiederum wehrt sich gegen den Wunsch aus der SPD, der Bauwirtschaft einen Extra-Schluck aus der Pulle zu geben. So soll kurzfristig die Flaute im Wohnungsbau enden – das selbstgesteckte Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen entstehen zu lassen, wird bisher verfehlt. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) macht daher Druck. Die Bauwirtschaft ist besonders von der Zinswende getroffen, hat allerdings in den vergangenen Jahren gut verdient.

Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer im Zentralverband Deutsches Baugewerbe, nannte die Situation in seiner Branche am Dienstag „katastrophal“. Er verlangte bessere Abschreibungsregeln – die Bauunternehmen sollten Kosten deutlich höher und deutlich länger steuerlich ansetzen können.

Es geht jetzt nicht um ein kurzfristiges konjunkturelles Strohfeuer

Martin Gornig, DIW-Wirtschaftsforscher

Ein Vorschlag von Geywitz läuft darauf hinaus, die Abschreibungssätze bei Bauprojekten in den ersten acht Jahren zu verdoppeln und so das Bauen attraktiver zu machen. Im Finanzministerium hält man das für übertrieben. Lindner-Berater Feld sieht in eine wenig wirksame Maßnahme.

Was sagen Wirtschaftsforscher zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz? Martin Gornig, Forschungsdirektor für Industriepolitik beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, sieht sowohl Anreize für die Konjunktur als auch längerfristig für eine wachstumsfördernde Standortpolitik. „Eigentlich sind die großen Elemente im Gesetz richtig, sowohl zur Förderung von Energieeffizienz als auch zur Forschungsförderung“, sagte er dem Tagesspiegel. „Aber es kann nur ein erster Schritt sein, dem dann ein deutlich größerer zweiter Schritt folgen muss.“

Rücksicht auf Zinspolitik

Sonst verpufft laut Gornig die Wirkung der insgesamt richtigen Maßnahmen. „Es geht jetzt nicht um ein kurzfristiges konjunkturelles Strohfeuer, das unter Umständen der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank entgegenwirkt“, lautet seine Einschätzung. Aber die Koalition müsse diesem Gesetz weitere Programme folgen lassen, welche die notwendige Transformation der deutschen Wirtschaft, das „Schließen von Technologielücken“ und Investitionen in die Infrastruktur ermöglichten.  

Hubertus Bardt, Geschäftsführer des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft, sieht es ähnlich. „Die Maßnahmen aus dem Wachstumschancengesetz gehen in die richtige Richtung und sind ein Baustein zur Stärkung des Standorts“, sagte er dem Tagesspiegel. „Aber angesichts der erheblichen Probleme kann es auch nur ein erster Schritt sein.“

Als Höchststeuerland sei Deutschland für Unternehmensinvestitionen weniger attraktiv geworden. „Hier müsste noch stärker angesetzt werden“, sagt Bardt. „Andere Probleme wie hohe Energiekosten, die als erdrückend wahrgenommene Bürokratie und die politischen Unsicherheiten der Transformation müssen ebenfalls angepackt werden.“ Für eine stärker investiv ausgerichtete Politik müssten zudem die finanziellen Mittel bereitgestellt werden – „nicht für die kurzfristige Konjunkturentwicklung, sondern für den mittel- und langfristigen Wachstumspfad“.

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