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Noch immer bilden zu wenige Berliner Betriebe aus, so dass Jugendliche wie hier Nora Strutzke eine Ausbildung machen können.

©  Franziska Gabbert/dpa

Arbeitsmarkt: Berlin profitiert vom Mindestlohn

Noch nie gab es so viele Betriebe in der Hauptstadt. Doch der Fachkräfte- und Ausbildungsmangel ist ein Risiko für den Boom.

Berlin - Noch nie gab es in Berlin so viele Betriebe, die sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter beschäftigen. 93 413 solcher Unternehmen wurden im Rahmen des Betriebspanels 2015 erfasst. Das sind 1766 Betriebe mehr als 2014, und 13 756 mehr als noch vor zehn Jahren. „Das ist ein neuer Höchststand. Er zeigt, dass Berlin nicht mehr die Hauptstadt der prekären Beschäftigung ist“, sagte Dilek Kolat (SPD), die das Panel am Montag vorstellte. Die Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen sieht dennoch zwei Risiken, die den Boom ausbremsen könnten: Den Fachkräftemangel sowie die geringe Zahl der Ausbildungsbetriebe.

"Das Jobdrama ist nicht eingetroffen"

Als Treiber für den Boom sieht Kolat neben der insgesamt positiven konjunkturellen Entwicklung zum einen den Tourismus. So habe die Zahl der Betriebe vor allem im Einzelhandel und im Bereich der konsumnahen Dienstleistungen zugenommen. Zum anderen habe die Einführung des Mindestlohns von 8,50 Euro die Kaufkraft in der Stadt erhöht. „Das prophezeite Jobdrama ist damit nicht eingetroffen“, betonte Kolat. Betriebe, die den Mindestlohn einführen mussten, hätten im Schnitt sogar mehr Beschäftige eingestellt als Betriebe, die nicht vom Mindestlohn betroffen gewesen seien.

Allerdings dürfte kaum einer der 864 Betriebe, die für das Panel stichprobenartig befragt worden sind, eine Umgehung des Mindestlohns zugeben. Was tatsächlich auf dem Lohnzettel steht, könnten deshalb nur die Beschäftigen selbst beantworten. Eine entsprechende Umfrage zum Abgleich des Betriebspanels gibt es jedoch nicht. Kolat geht aber davon aus, dass es nur relativ wenige Verstöße gegen den Mindestlohn gibt.

Die Zahl der unbesetzten Stellen für Fachkräfte steigt eklatant

Sorge bereitet der Senatorin, dass der Bedarf an Fachkräften in Berliner Betrieben weiter nicht gedeckt werden kann. Die Zahl der unbesetzten Stellen ist 2015 sogar eklatant gestiegen, von 29 000 auf 47 000, insgesamt würden 134 000 Fachkräfte gebraucht. „Das ist ein großes Problem“, sagte Dilek Kolat, denn wenn die Betriebe deshalb nicht so wachsen könnten, wie es für sie eigentlich möglich wäre, „wird der Fachkräftemangel zum Risikofaktor, der das wirtschaftliche Wachstum in der Hauptstadt hemmen könnte“.

Im Fachkräftemangel sieht Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) ein Risiko für die Wachstumschancen der Hauptstadt.

© dpa

Zum Teil hätten die Betriebe diese Entwicklung auch selbst mitverschuldet, erklärte Kolat. Und zwar dadurch, dass sie viel zu selten Nachwuchs ausbilden. So hat sich die Zahl der ausbildenden Betriebe in Berlin seit 2007 fast halbiert von rund 30 Prozent auf 18 Prozent in 2015. Nur 39 Prozent und damit nicht einmal jeder zweite Betrieb, der ausbildungsberechtigt ist, bildet überhaupt aus.

„Leider wird hier in vielen Betrieben zu kurzfristig gedacht“

„Das ist eine besorgniserregende Entwicklung, die nicht für die Berliner Betriebe spricht“, mahnte Kolat. Auch wenn Ausbildung eine Investition sei, sei sie doch eine Investition in die Zukunft. „Leider wird hier in vielen Betrieben zu kurzfristig gedacht“, sagte Kolat.

Grund für diese geringe Ausbildungsquote sei aber auch die Betriebsstruktur in Berlin, die durch viele Start-ups geprägt sei. Da viele der jungen Unternehmen nicht wüssten, ob es sie in drei Jahren überhaupt noch gibt, würden sie eine Einstellung von Azubis scheuen. Deshalb bietet der Senat seit diesem Jahr zusammen mit der IHK die Verbundausbildung auch in der Start-up-Branche an, wo Azubis Station in einem etablierten Betrieb machen sowie in einem der jungen Digitalunternehmen.

Jugendliche gehen auf dem Weg zwischen Schule und Ausbildung verloren

Hinzu komme, dass viele Jugendliche auf dem Weg zwischen Schule und Ausbildung „verloren gehen würden“. Gerade in einer Metropole wie Berlin sei es einfach, hier und da zu jobben und damit über die Runden zu kommen. Deshalb will Kolat die betriebliche Ausbildung noch besser bewerben und mithilfe der Jugendberufsagentur schneller in die Ausbildung bringen.

Noch keine Angaben machen konnte Kolat über die Auswirkungen der Flüchtlinge auf den Berliner Arbeitsmarkt. Von rund 356 000 arbeitssuchenden Personen im Juni seien rund 15 000 im Kontext von Fluchtmigration gemeldet gewesen. Viele dieser Menschen müssten jedoch erst Deutsch- und Integrationskurse besuchen. Wie gut ihre Integration in den Arbeitsmarkt gelinge, werde sich erst anschließend zeigen.

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